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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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vitae discimus
– nicht für die Schule, für das Leben lernen wir.«
    Er spuckte beim Sprechen. Wutphase I also. Und wahrlich kein schöner Anblick. Auf so was sollten sie eigentlich achten, wenn sie Lehrer einstellen.
    Ich schob meine Notizen ganz unter das Buch. »Ist gut, Herr de Wit. Dann machen Sie doch bitte jetzt mit Latein weiter.«
    Was hatten die anderen denn nun wieder zu kichern?
    Fred schoss böse Blicke auf mich ab. »Genau das habe ich vor, und zwar sobald du den Kram in deine Tasche gesteckt hast. Also, ich warte!«
    Die Spucketröpfchen erreichten jetzt die erste Reihe und seine Stimme klang wie Essigsäure. Essigsäure hat einen pH-Wert von 1, und das ist mehr als sauer, das wusste ich aus Chemie. Ich passte im Unterricht nämlich sehr wohl auf, auch wenn JP das Gegenteil behauptete, mit seinem »Wenn du dich von nun an nicht am Riemen reißt, dann wird das Konsequenzen haben.« Konsequenzen wären übrigens gar nicht verkehrt. Vielleicht wäre Freds Unterricht dann nicht mehr so stinklangweilig. Schon wie er dastand und mit den Fingern auf den Tisch trommelte, nervte mich. Schlecht für den Blutdruck, ganz schlecht! Der Mann sollte sich ein Hobby zulegen.Klavierspielen vielleicht oder Schlagzeug. Genau, am Schlagzeug könnte er sich super abreagieren. Ein Haustier wär auch gut. Am besten ein Hund, wenn er schon unbedingt jemanden braucht, der ihm aufs Wort gehorcht. Hunden macht es nichts aus, wenn sie rumkommandiert werden, die haben ohnehin nichts Besseres zu tun.
    Ich schon.
    Ich zuckte zusammen, als Tibby mir einen heftigen Rippenstoß versetzte. »Nun halt endlich den Mund!«, zischte sie.
    Wieso? Mein Mund war doch zu. Oder etwa nicht? Hatte ich schon wieder vor mich hingeredet?
    »Und? Wird’s bald?« In Freds Mundwinkeln hatten sich Spuckeblasen gebildet. Er verzog das Gesicht zu einer verkniffenen Grimasse. Jetzt würde es nicht mehr lange dauern und er riss mir die Blätter weg.
    Gehorsam nahm ich sie und sortierte sie in der richtigen Reihenfolge. Ordnung ist schließlich das halbe Leben.
    »Mach endlich, sonst bist du geliefert!«, zischelte Tibby nervös. »Willst du etwa zu JP? Los, weg mit den Blättern!«
    Fred lief rot an. Sein linker Nasenflügel begann zu zittern. Das war sonst nicht im Programm, interessant!
    Er kam ein paar Schritte auf mich zu.
    Ich schob den Papierstapel im Zeitlupentempo in eine Klarsichtmappe. Es geht doch nichts über eine gute Ablage, dachte ich.
    Wieder Gekicher!
    Dabei hatte ich nichts gesagt. Kein Wort!
    Fred stand jetzt direkt vor mir. Im Gesicht so rot wie mein neuester Nagellack. Phase III.
    Ich fummelte noch ein wenig mit der Mappe herum, nicht mit böser Absicht, sondern rein experimentell, um Phase III möglichst weit in die Länge zu ziehen und dann im letzten Moment, unmittelbar vor Phase IV, die Blätter einzustecken.
    »Raus! Geh mir aus den Augen! Du meldest dich sofort beim Rektor!«
    Hui!
    Fiat voluntas tua
. Dein Wille geschehe, dachte ich.
    Keine Ahnung, warum sie schon wieder lachten.
    Um das Gesicht zu wahren, packte ich in aller Ruhe meine Sachen und verließ dann erhobenen Hauptes das Klassenzimmer. Aber als ich durch den schwarz-weiß gefliesten Flur auf JPs Büro zuging, war es plötzlich aus mit meiner Gelassenheit. Ich bekam üble Bauchschmerzen.
    Was, wenn ich diesmal wirklich zu weit gegangen war?

3
    Dr. J. P. van Dijk, Rektor
stand auf dem Kupferschild.
    Ich klopfte. Mein Herz klopfte wie verrückt mit.
    Nichts.
    Ich wartete kurz und versuchte es dann noch einmal.
    Wieder nichts. Mein Bauch krampfte sich zusammen, aber ich bemühte mich, einen kühlen Kopf zu bewahren.
    Vielleicht war JP heute etwas schwerhörig.
    Oder er telefonierte gerade.
    Oder er machte heimlich ein paar Yoga-Übungen.
    Vielleicht war er ja auch gar nicht da, das wäre mir am allerliebsten.
    Ich wartete weiter.
    Ein paar Schüler aus der fünften Klasse kamen vorbei, grinsten und machten hämische Bemerkungen. Und dann tauchte auch noch Wilkes auf und musterte mich mit gerunzelter Stirn. Ich kam mir total blöd vor, traute mich aber nicht, einfach zu gehen.
    Nach etwa zehn Minuten sah ich plötzlich Easy am Ende des Flurs. Mein Herz legte den Turbo ein, als wollte es ihm entgegenfliegen.
    Dieser Gang! Diese Figur! Und das Haar – ob es wohl so weich war, wie es aussah?
    Am liebsten hätte ich mich ins nächste Mauseloch verkrochen. Wenn Easy mich hier wie einen Trottel vor der Tür des Rektors herumstehen sah, konnte ich das mit ihm vergessen! Warum

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