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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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Noten ziemlich gut.«
    »Aber nicht für meinen Blutdruck«, sagte er. »Ein besseres Argument fällt dir wohl nicht ein?«
    Na gut, dann eben Schluss mit der Schule!, dachte ich. Und seltsamerweise durchlief mich dabei eine Welle der Erleichterung. Mir war, als fiele eine Last aus tonnenschweren Hinkelsteinen von mir ab.
    Nie mehr die Zeit absitzen und mich langweilen. Keine lebenden Sprachen mehr und auch keine toten. Nie mehr muffiger Schweißgeruch in der Umkleide beim Sport. Lebwohl, Schule! Hurra! Gleich morgen würde ich ein Reisebüro eröffnen und mich auf Studienreisen nach Ägypten spezialisieren.
    »Du hast beim letzten Mal versprochen, dich zu bessern, und jetzt sitzt du schon wieder hier. Das verheißt nichts Gutes, Anna. Darüber habe ich auch schon mit deinen Eltern gesprochen.«
    Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass er auf eine Antwort wartete. Gut, er sollte sie haben. Wenn ich ohnehin gehen musste, hatte ich nichts zu verlieren und konnte offen sagen, was ich dachte.
    »Ich schätze mal, so einfach ist es nicht, mich von der Schule zu werfen. Dafür muss man nämlich etwas angestellt haben. Und das habe ich mit Sicherheit nicht. Ich stehle nicht, schwänze nicht, trage kein Messer bei mir, deale nicht mit Drogen, bedrohe keine Lehrer und habe bisher in der Kantine auch noch keinen über den Haufen geschossen. Vielleicht blöd von mir, aber was soll’s. Jeder hat eben seine Prinzipien.«
    »Aha, Prinzipien nennst du das? Weißt du eigentlich, dass deine Lehrer mir die Bude einrennen, weil sie sich mit dir nicht mehr zu helfen wissen? Dann sitzen sie als Nervenbündelhier, auf dem Stuhl, neben dem du jetzt stehst. Alles intelligente, hochgebildete Leute, die du mit deinen Frechheiten fast in den Wahnsinn treibst. Dass Lehrer auch nur Menschen sind, scheint ihr Schüler völlig zu vergessen.«
    Er nahm die Brille wieder ab und fixierte mich scharf. »So allmählich habe ich den Eindruck, dass du an unserem Gymnasium nicht am rechten Platz bist, Anna. Wenn ich dich jetzt rauswerfe, spart das deinen Lehrern jede Menge Kraft und Nerven. Außerdem gibst du den anderen Schülern ein schlechtes Beispiel. Wenn du bleiben willst, muss sich grundlegend etwas ändern.«
    Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich gerade mal fünfzehn war. Meine großartigen Reisebüropläne verpufften. Pa und Ma wären frustriert und würden endlos auf mich einreden. Ich müsste die Schule wechseln oder womöglich arbeiten gehen. Und nicht zuletzt: Was sollte dann mit Tibby werden? Wenn ich nicht mehr auf der Schule wäre, würde sie das sicher in eine noch tiefere Krise stürzen.
    JP sah mich an, als wäre ich eine Laborratte in einem Labyrinth. Worauf wartete er? Stand sein Entschluss schon fest? Flog ich tatsächlich? Oder blieb mir noch eine Chance?
    »Herr van Dijk …« Meine Stimme zitterte. »Was Sie sagen, leuchtet mir absolut ein. Aber wissen Sie, ich hab hier eine Freundin. Sie geht in meine Klasse und heißt Tibby. Sie haben sich neulich netterweise darum gekümmert, dass sie Bücher bekommt. Tibby hat jedenfalls ziemliche Probleme und außer mir überhaupt keine Freunde. Ich versuche, ihr zu helfen, so gut ich kann. Wenn Sie mich jetzt rauswerfen, muss ich mich damit abfinden, aber Tibby wäre dann total aufgeschmissen.Ich sehe ein, dass ich Mist gebaut hab, aber vielleicht können Sie mich um ihretwillen bleiben lassen.«
    JP zog die Brauen hoch. »Setz dich bitte.«
    Jetzt wirkte er ein wenig freundlicher.
    Kleinlaut setzte ich mich auf die Kante des Stuhls, auf dem sonst meine Lehrer als zuckende Nervenbündel ihre Klagen über mich vorbrachten.
    »Und jetzt erklär mir bitte, wo genau dein Problem liegt.«
    Ich schluckte mehrmals. Inzwischen war ich so nervös, dass ich kaum einen klaren Gedanken fassen konnte.
    »Es ist so, dass … dass ich mich im Unterricht tödlich langweile«, sagte ich schließlich.
    JP hüstelte, wurde aber zum Glück nicht wütend. »Ich habe durchaus Verständnis für dich, Anna, das kannst du mir glauben«, sagte er. »Als ich so alt war wie du, ging es mir ganz ähnlich. Ich habe mich auch tödlich gelangweilt, wie du es ausdrückst. Ich habe meine Lehrer bis aufs Blut gereizt und wurde pro Woche mindestens zweimal aus dem Klassenzimmer geschickt.«
    »Ehrlich wahr? Und warum sind Sie dann Rektor geworden?«
    »Weil ich darin eine sinnvolle Aufgabe sehe«, sagte er. »Du bist ein hochintelligentes Mädchen, Anna. Von fünfhundert Schülern hier am Gymnasium hat nur einer einen so

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