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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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einmal, um eine Kopfschmerztablette zu suchen, dann, um etwas zu trinken zu holen.
    »So geht das nicht. Du musst dich konzentrieren«, sagte ich. Aber es half nichts.
    Als wir nach Französisch die Mathe-Hausaufgaben machen wollten, kramte sie vergeblich nach ihrem Lineal herum, und auch der Zirkel war spurlos verschwunden.
    Ich versuchte, mich nicht über Tibbys nerviges Gehabe zu ärgern, und kraulte Wodka, der es sich auf meinem Schoß bequem gemacht hatte und gemütlich schnurrte.
    Als Tibby sich endlich Mathe vornahm – mit meinem Zirkel und meinem Lineal wohlgemerkt –, bemühte ich mich, die Küche auf Vordermann zu bringen. Ich putzte die fettigeAbzugshaube und wusch die Katzennäpfe aus. Dann schnitt ich auf dem Brotbretttisch dicke Scheiben Honigkuchen, bestrich sie mit Butter und erklärte Tibby nebenher die eine oder andere Aufgabe.
    Der Kanonenofen bullerte vor sich hin, denn inzwischen war es Ende Oktober und kalt. Ich wickelte zwei Äpfel in Alufolie und briet sie im Aschekasten.
    Sie schmeckten wunderbar, halb roh und halb nach Apfelmus mit Karamell.
    Danach hörte ich Tibby noch mal die Französischvokabeln ab, von denen sie gut drei Viertel wusste.
    Ich hatte das Gefühl, etwas Nützliches getan zu haben, und genoss das, denn zu Hause brauchte mich keiner wirklich. Dort wartete nur eine endlose Reihe von Pflichten.
    Kaum war ich zurück, legte Sam auch schon los: »Na, habt ihr ein schönes Hippie-Lagerfeuer gemacht?« Er deutete auf meine Hose. Sie hatte einen großen Aschefleck.
    Ma und Pa waren auch nicht besser. »Sei so gut und räum heute Abend endlich mal dein Zimmer auf, Anna. Jana hat schon zweimal darum gebeten. Sonst kann sie nicht putzen.« – »Anna, du hast schon wieder deine Jeans in den Korb mit der Kochwäsche getan. Wann lernst du endlich, dass die Wäsche vorsortiert werden muss?« – »Denkst du bitte an den Geschirrspüler?« – »Sag mal, übst du überhaupt noch Geige? Viola ist mit deinen Fortschritten gar nicht zufrieden.« – »Warum hast du eigentlich kein Licht am Rad? Nächste Woche wirst du fünfzehn, Anna. Fünfzehn! In dem Alter sollte man wahrhaftig wissen, wie gefährlich es ist, ohne Licht zu fahren. Wo sind deine Reservelampen? Wie bitte?Weg? Morgen kaufst du neue. Gleich nach der Schule, vergiss es nicht!«
    Ständig nörgelten sie an mir rum, weil ich nicht so funktionierte, wie ich sollte. Deshalb war ich so gern bei Tibby. Sie brauchte mich wenigstens, und wenn ich ihr half, dann freiwillig und nicht, um irgendein Pflichtprogramm zu absolvieren.

Eingeschnürt wie eine Mumie
    Der Oktober ging in den November über und die Bäume warfen ihre letzten Blätter ab. Es schüttete ununterbrochen. Kurz vor meinem Geburtstag erkältete ich mich, und bevor ich mich’s versah, lag ich mit Grippe im Bett, schwitzte wie verrückt und hatte Gliederschmerzen.
    Tagelang kämpfte ich mit dem Bettzeug, das an mir klebte wie eine zweite Haut. Als ich zwischendurch endlich einmal ruhiger schlief, träumte ich, dass ich als dick verpackte Mumie an einer jubelnden Menge vorbeigetragen wurde. Ich hörte Musik und Gesang, konnte mich aber kaum bewegen und bekam nur mit Mühe Luft. Dann war da plötzlich Easy, der eine glitzernde CD schwenkte. Und gleich darauf wehten sommerleichte Klänge zu mir herüber. Jemand sammelte sie in einer dunkelblauen Schale und schuf daraus ein ganzes Universum, von klein nach groß, vom Atom zur Milchstraße, und es leuchteten Buchstaben auf, unzählige Buchstaben, mit denen mandas gesamte Wissen der Welt festhalten konnte. Dann küsste Easy eine andere, während ich neben ihm stand. Eine Göttin mit schwarzer Steinhaut …
    Das Klingeln meines Handys riss mich aus dem Schlaf. Ich wollte nach dem Telefon greifen, konnte mich aber nicht rühren, denn ich war fest verschnürt. Ich stieß einen Schrei aus und versuchte zu begreifen, wo ich war.
    Nur langsam konnte ich den Traum abschütteln. Erst als das Handy erneut klingelte, wurde mir klar, dass ich zu Hause war, in meinem Zimmer, und mich in dem klammen Bettzeug verheddert hatte.
    Mühsam befreite ich mich und tastete hektisch nach meinem Handy, als Sam die Tür aufmachte. Er guckte leicht verwundert, als er das Durcheinander auf meinem Bett sah.
    »Morgen, Anna! Herzlichen Glückwunsch! Das Frühstück ist fertig. Kommst du?«
    Glückwunsch? Frühstück? Ach so … mein Geburtstag.
    Sam half mir die Treppe hinunter, wo mich ein üppiger Frühstückstisch mit warmen Croissants, gekochten

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