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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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rief JP mich nicht endlich herein?
    »Hi«, sagte Easy. »Wartest du auf jemanden?«
    Hilfe! Was sollte ich jetzt sagen? Irgendetwas Cleveres, Intelligentes, bloß nichts, was wie ein heiseres Krächzen klang!
    Ich lief rot an und merkte, wie ich nervös von einem Bein auf das andere trat. Auf einmal wusste ich genau, wie es Eileen damals im Fahrradladen ergangen war.
    »Hi«, sagte ich dümmlich. »Ich bin Anna.«
    Oh Mann, das wusste er doch längst!
    Er grinste. Aber irgendwie nett. Und sah mich an. Ein Blick zum Dahinschmelzen. Aus meergrünen Augen. Oder waren sie meerblau?
    »Weiß ich«, sagte er. »Und ich bin Easy, aber das dürfte dir inzwischen bekannt sein. Wir sind Freunde bei Facebook, schon vergessen?«
    »Stimmt. Ich bin Freundin Nummer 343«, murmelte ich. Mein Mund war wie ausgetrocknet.
    »Wie? Hast du nachgezählt? Ich … äh …« Er lachte leicht verlegen und fuhr sich durchs Haar.
    Jetzt, dachte ich. Jetzt passiert es! Was genau, wusste ich nicht, aber die Spannung hing zwischen uns wie ein Vorhang, der jeden Moment Feuer fangen konnte. Gleich würde er mir seine Liebe gestehen und dabei lächeln, charmant und unwiderstehlich. Ich sah den Spannungsvorhang zwischen uns in tausend Feuerfunken auflodern und glaubte, den Duft von Geißblattblüten zu riechen. Gleich würde Easy mich in die Arme nehmen und küssen und danach würden wir uns auf sein weißes Pferd schwingen und zusammen davongaloppieren, an Wäldern, Bergen und Seen vorbei bis zum Regenbogen. Und dann …
    Er räusperte sich. »Weißt du zufällig, wo man sich so einen Wisch wegen Zuspätkommens holen kann?«
    Der Regenbogen schrumpelte in sich zusammen. Mein Mund bemühte sich, ein hinreißendes Lächeln zustande zu bringen.
    »Beim Putzteufel«, sagte ich. »Bist du denn zu spät gekommen?«
    Er nickte. »Und wie. Ich hätte jetzt eigentlich Französisch. Putzteufel ist der Hausmeister, stimmt’s?«
    Ich nickte.
    »Lustiger Name.«
    »Eigentlich heißt er Herr Teufel, aber wir nennen ihn so, weil er den Hofdienst am Freitag beaufsichtigt. Die Standardstrafe für Zuspätkommer.«
    Ich starrte auf meine Füße, die einen regelrechten Tanz vollführten, ganz von allein, ohne mein Zutun.
    »Und auch für die, die zum Direx müssen?«
    »Kann sein …« Ich zögerte. »Aber vielleicht fliege ich auch gleich von der Schule.«
    »Ach was«, sagte er. »Wir sehen uns also am Freitag. Bis dann!« Er zwinkerte mir zu und ging weiter. Obwohl er zu spät gekommen war, schien er es überhaupt nicht eilig zu haben. Er blieb sogar noch mal stehen und sah sich zu mir um. »Und vielleicht mal im
Sisters

    Bis Freitag? Hofdienst? Treffen im
Sisters
! Yesss! Ich machte innerlich einen Freudensprung.
    Völlig entrückt schmachtete ich ihm hinterher, deshalb bemerkte ich Wilkes erst, als er mich ansprach.
    »Na, Anna, willst du zu Herrn van Dijk? Da kannst du lange warten, der ist nämlich in einer Besprechung. Am besten legst du ihm einen Zettel ins Fach.«
    »Oh, vielen Dank!«
    Zettel ins Fach? Ich bin doch nicht blöd!
    Den Rest des Tages war ich ziemlich weggetreten. Ich fühlte mich ganz so wie am ersten Nachmittag bei Tibby und ihren Katzen in der Wohnküche. Dieser Tag konnte einfach nicht mehr besser werden.
    Nach Schulschluss fand ich Tibby weinend zwischen den Fahrrädern.
    »Tibs, was hast du?«
    »Das hab ich!« Sie hielt mir zwei zerknitterte Blätter hin. Eine Fünf in Latein und eine Vier minus in Englisch, garniert mit ein paar bissigen Bemerkungen von Wilkes.
    »Wie kommt das denn? Hast du nicht gelernt? Du hast doch jetzt deine Bücher«, sagte ich.
    »Ich wusste plötzlich nichts mehr«, sagte sie. »Totales Blackout! Ich hasse die Schule. Die blöden Lehrer können mich mal! Ich mach Schluss. Mit der Schule, mit allem.« Sie putzte sich die Nase, schmiss das zerknüllte Taschentuch auf den Boden und stampfte es platt.
    »Kein Grund zum Verzweifeln«, sagte ich. »Einen schlechten Tag hat doch jeder mal. Du bist ein wenig hinterher mit dem Stoff. Das wird schon wieder.«
    »Ich kann es einfach nicht!«, schluchzte sie. »Bei jeder Klassenarbeit ist mein Hirn wie leer gefegt.«
    »Du kannst es sehr wohl, sonst wärst du nicht hier auf dem Gymnasium. Vor den Sommerferien war doch noch alles in Ordnung.« Ich bemühte mich, meinen rosaroten Ich-binverliebt-Zustand abzuschütteln und Tibby, so gut es ging, zu trösten.
    Sie wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab. »Würdest du mir bei den nächsten Arbeiten helfen?«, fragte sie.

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