Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
Vom Netzwerk:
»Nur ein, zwei Antworten, wenn ich nicht weiterkomme, ja?«
    Ich legte den Arm um sie. »Klar helf ich dir. Aber du schaffst es auch allein.«
    Tibby schniefte. »Du bist echt ’ne supertolle Freundin«, sagte sie. »Und der einzige Mensch, auf den man sich verlassen kann.«
    Auf dem Nachhauseweg hatte ich plötzlich ein ungutes Gefühl. Was hatte Tibby mit »ein, zwei Antworten« gemeint? Hatte ich ihr etwa versprochen, sie ab jetzt bei jeder Klassenarbeit abschreiben zu lassen?

4
    Wegen Tibbys kleiner Krise hatte ich die Sache mit Fred völlig vergessen. Bis zum Abend, als es an meiner Zimmertür klopfte.
    »Anna, vorhin kam ein Anruf von deiner Schule. Wir müssen reden.«
    Oh nein, nicht schon wieder!, dachte ich. Ich war gerade so schön darin vertieft, meinen Collegeblock mit ineinander verschlungenen Schnörkelbuchstaben vollzumalen: E & A …
    »Muss das ausgerechnet jetzt sein?«
    Ja, es musste. Pa und Ma setzten sich nebeneinander auf mein Bett und guckten so ernst, als hätte ich jemanden umgebracht. »Herr van Dijk hat angerufen«, sagte Pa.
    Auch das noch!, dachte ich. Nur weil dieser blöde Fred mich zum Direx geschickt hat und ich keinen Zettel in sein Fach gelegt hatte. Lächerlich! Ich unterschrieb doch nicht mein eigenes Todesurteil.
    Pa war »verstimmt« (was im Klartext »stinkwütend« heißt) und Ma »enttäuscht« (Klartext: »Was fällt dir eigentlich ein? Du bist wohl nicht mehr bei Trost!«).
    An der Schule »erwäge man, drastische Maßnahmen zu ergreifen«, meinte Pa, wenn ich mich »nicht beherrschen« könne. (Heißt: »Noch ein einziges Mal und du kannst dir einen Job suchen.«)
    Sie wollten überhaupt nicht hören, was tatsächlich vorgefallen war. Ich solle das in der Schule klären, hieß es, nur wie, das sagten sie nicht. Dafür gab es in ihrer Sprache nämlich keine Worte.
    Ich hatte schon welche: Die Schule ist eine ganz miese Diktatur und bei uns zu Hause ist es nicht viel besser.
    Das dachte ich, aber irgendwie kriegten sie es wohl mit, denn sie starrten mich wütend an und standen dann abrupt auf.
    Später kam Sam, angeblich um mich zu trösten, in Wirklichkeit aber, weil er rasend neugierig war.
    »Morgen muss ich zu JP«, erzählte ich bedrückt. »Weißt du, was er zu Pa gesagt hat? Dass er drastische Maßnahmen erwägt. Weil ich endgültig zu weit gegangen sei.«
    »Halt einfach öfter mal den Mund, Schwesterherz. Auch wenn du hundertmal recht hast. Mit Fred ist nicht zu spaßen. Und was bringt es dir, wenn du immer alles sagst, was du denkst?«
    Als ob ich nicht mit aller Macht versuchen würde, den Mund zu halten!
    »Wird schon nicht allzu schlimm werden«, sagte Sam. »JP ist eigentlich in Ordnung.«
    Hoffentlich. Sam hatte leicht reden. Er kam mit allen Lehrern gut aus. Keine Ahnung, wie er das machte. Vielleicht, indem er gar nichts sagte und alles hinunterschluckte? Nichtssagen, nichts hören, nichts sehen – wie die drei Affen. Sam war völlig anders gestrickt als ich.
    Weil ich so nervös war, schickte ich Tibby und Eileen eine SMS:

    Eileen simste gleich zurück:

    Und Tibby meldete sich ebenfalls:

    Ihre Unterstützung tat gut. Dann aber war ich wieder allein mit meinen Gedanken. Sie gaukelten mir ein Schreckensszenario nach dem anderen vor, und ich fühlte mich wie eine Mumie, einbandagiert und total hilflos. Wenn sie mich nun rauswarfen? Was sollte dann aus mir werden?

5
    Meine Hand zitterte, als ich am nächsten Morgen an JPs Tür klopfte. Erst auf mein zweites Klopfen hin kam ein undeutliches »Herein«.
    JP sah kaum von seinen Unterlagen auf, als ich eintrat. Kein gutes Zeichen.
    »Na, Anna«, sagte er. »Wer ist denn diesmal schuld? Herr Wilkes? Frau Bonamour? Oder vielleicht zur Abwechslung mal Herr Teufel?«
    Als würde der Putzteufel mich zu ihm schicken. Der kam gut allein zurecht!
    »Herr de Wit«, sagte ich.
    »Irrtum.« JP sah mich eindringlich an und setzte dann seine Brille ab.
    »Irrtum? Wieso?« Ich wusste ja wohl noch, in welcher Stunde ich rausgeschickt worden war.
    »Du gibst Herrn de Wit die Schuld an etwas, das du selbst verursacht hast.«
    Was sollte ich darauf antworten? So ein Blödsinn!
    JP setzte die Brille wieder auf und schrieb in aller Ruhe weiter.
    »Im letzten Schuljahr bist du zehn Mal rausgeschickt worden, Anna, das würde durchaus für einen Schulverweis reichen«, sagte er dann.
    Ich erschrak und holte tief Luft. »Herr van Dijk, das sollten Sie lieber nicht machen. Für jemanden, der angeblich nie aufpasst, sind meine

Weitere Kostenlose Bücher