Flüstern in der Nacht
rein und sauber – fast engelhaft – und dabei hast du richtig verworfene Züge an dir.« »Ich kann lasterhaft sein«, gab sie zu. »Sehr.«
»Magst du meinen Körper?« »Er ist wunderschön.«
Eine Weile redeten sie hauptsächlich Unsinn, den Unsinn der Liebenden, murmelten verträumt vor sich hin unter dem wohligen Eindruck des eben Erlebten, und es gab nichts, was sie nicht amüsierte.
Dann meinte Tony, immer noch mit leiser Stimme, aber eine Spur ernsthafter: »Dir ist natürlich klar, daß ich dich nie wieder hergeben werde.«
Sie spürte, daß er bereit schien, sich festzulegen, auf eine Andeutung ihrerseits wartete. Aber das war das Problem: Sie war nicht bereit. Sie wußte nicht, ob sie sich soweit einlassen würde. Sie mochte ihn. O Gott, und wie sie ihn mochte! Sie konnte sich nichts Erregenderes, nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm zusammenzuleben; jeder würde mit seinen Talenten und Interessen das Leben des anderen bereichern. Aber sie hatte Angst vor der Enttäuschung und der Pein, die sich einstellen könnte, wenn er sie eines Tages nicht mehr liebte. Sie hatte all die schrecklichen Jahre in Chicago mit Earl und Emma überwunden, konnte diese schreckliche Lektion aber nicht einfach vergessen, die sie jahrelang in jener armseligen Wohnung gelernt hatte. Sie fürchtete sich davor, sich festzulegen. Und indem sie nach einem Weg suchte, der angedeuteten Frage auszuweichen, in der Hoffnung, das Gespräch locker und spritzig zu gestalten, fragte sie: »Du willst mich also nie loslassen?« »Nie.«
»Wird es nicht problematisch sein, mit mir im Schlepptau Polizeiarbeit zu tun?«
Er sah ihr in die Augen und versuchte zu ergründen, ob sie verstanden hatte, was er eigentlich meinte.
»Du darfst mich nicht drängen, Tony«, fügte sie beunruhigt hinzu. »Ich brauche Zeit, ein wenig Zeit.« »Nimm dir soviel Zeit, wie du willst.«
»Im Augenblick bin ich so glücklich, daß ich einfach nur albern sein möchte. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt für ernste Gespräche.«
»Dann werde ich auch versuchen, albern zu sein«, antwortete er.
»Worüber wollen wir reden?« »Ich möchte alles über dich wissen.« »Das klingt aber ernst, nicht albern.«
»Ich will dir was vorschlagen: Sei du halbwegs ernst, dann benehme ich mich halbwegs albern. Wir wechseln uns ab.« »In Ordnung. Die erste Frage.« »Was magst du am liebsten zum Frühstück?« »Cornflakes«, entgegnete sie. »Und zum Mittagessen?« »Cornflakes.« »Und zum Abendessen?« »Cornflakes.«
»Augenblick mal«, meinte er. »Was ist denn?«
»Ich nehme an, das mit dem Frühstück war dein Ernst. Aber dann hast du hintereinander zwei alberne Antworten gegeben.«
»Ich liebe Cornflakes.«
»Jetzt schuldest du mir zwei ernsthafte Antworten.« »Nur zu.«
»Wo bist du geboren?« »Chicago.«
»Auch dort aufgewachsen?« »Ja.« »Eltern?«
»Ich weiß nicht, wer meine Eltern sind. Bin aus einem Ei geschlüpft, einem Entenei. Es war ein Wunder. Du hast bestimmt was darüber gelesen. Es gibt sogar eine katholische Kirche in Chicago, die danach benannt ist. Unsere Liebe Frau aus dem Entenei.«
»Wirklich sehr albern.« »Danke.«
»Eltern?« fragte er erneut.
»Das ist nicht fair«, antwortete sie. »Du darfst nicht dieselbe Frage zweimal stellen.« »Wer sagt das?« »Ich.«
»Ist es so schlimm?« »Was?«
»Nun, was deine Eltern getan haben.«
Sie versuchte, ihn von der Frage abzulenken. »Wie kommst du darauf, daß sie etwas Schreckliches getan haben?« »Ich habe dich schon einmal nach ihnen gefragt. Wollte etwas über deine Kindheit wissen. Du bist meinen Fragen immer ausgewichen. Du hast das sehr elegant gemacht, das Thema geschickt gewechselt, und geglaubt, ich würde es nicht bemerken, aber ich habe es gemerkt.«
Er hatte plötzlich den durchdringendsten Blick, den sie je gesehen hatte. Fast konnte es einem angst machen. Sie schloß die Augen, damit er nicht in sie hineinsehen konnte.
»Sag' es mir«, bat er. »Sie waren Alkoholiker.« »Beide?« »Yeah.«
»War es schlimm?« »Oh, und wie.« »Gewalttätig?« »Yeah.« »Und?«
»Und ich mag jetzt nicht darüber reden.« »Es könnte dir vielleicht guttun.«
»Nein. Bitte, Tony. Ich bin so glücklich. Wenn du mich zwingst, über ... sie ... zu reden ... dann werde ich unglücklich. Bis jetzt war der Abend so wunderschön, du solltest ihn nicht verderben.«
»Über kurz oder lang möchte ich mehr darüber erfahren.« »Okay«, sagte sie. »Aber nicht heute.«
Er
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