Flüstern in der Nacht
seufzte. »Schön. Mal sehen ... wer ist dein Lieblingsdarsteller im Fernsehen?« »Kermit, der Frosch.« »Und welcher menschliche Darsteller?« »Kermit, der Frosch«, antwortete sie. »Ich habe gesagt, menschlich.«
»Mir kommt er menschlicher vor als irgendein anderer Fernsehstar.«
»Da hast du vielleicht recht. Was ist mit der Narbe?« »Hat Kermit eine Narbe?« »Ich meine deine Narbe?«
»Stört sie dich?« fragte sie, wieder versuchend, der Frage auszuweichen.
»Nein«, sagte er. »Sie macht dich nur noch schöner.« »Wirklich?« »Wirklich!«
»Macht es dir etwas aus, wenn ich das mit meinem Lügendetektor überprüfe?«
»Du hast einen Lügendetektor hier?«
»Aber klar«, sagte sie und griff nach seinem schlaffen Glied. »Mein Lügendetektor funktioniert ganz einfach. Er hat noch nie versagt. Wir nehmen einfach den Hauptstecker –« sie drückte zu – »und schieben ihn in Steckdose B.« »Steckdose B?«
Sie rutschte hinunter und nahm ihn in den Mund. Er war sofort erregt. Nach wenigen Minuten konnte er sich kaum mehr beherrschen.
Sie blickte auf und grinste. »Du hast nicht gelogen.« »Ich sag' es noch einmal: Du bist ein richtig verworfenes Weibsstück.«
»Begehrst du meinen Körper schon wieder?« »Ich will deinen Körper schon wieder.« »Und meine Seele?« »Gehört die nicht dazu?«
Diesmal ließ sie sich auf ihm nieder, bewegte sich vor und zurück, hin und her, auf und ab. Sie lächelte ihn an, als er nach ihren wippenden Brüsten griff, und dann nahm sie keine einzelnen Bewegungen oder einzelnen Stöße mehr wahr, alles zerfloß zu einer ständig strömenden, hitzigen Bewegung, ohne Anfang und ohne Ende.
Um Mitternacht gingen sie in die Küche und aßen eine Kleinigkeit, einen kalten Imbiß, bestehend aus Käse, Huhn, Obst und kaltem Weißwein. Sie trugen alles ins Schlafzimmer, fütterten einander ein wenig, verloren aber bald das Interesse am Essen.
Sie waren wie zwei Teenager, versessen auf ihre Körper und mit scheinbar grenzenloser Ausdauer gesegnet. Und während sie sich in rhythmischer Ekstase bewegten, wurde Hilary plötzlich bewußt, daß hier nicht allein eine Folge von Geschlechtsakten ablief – dies stellte ein wichtiges Ritual, eine tiefschürfende Zeremonie für sie dar, die sie von ihren uralten Ängsten reinigte. Sie vertraute sich einem anderen menschlichen Wesen so vollkommen an, wie sie das noch vor einer Woche nicht für möglich gehalten hätte, denn sie schob allen Stolz von sich, bot sich ihm an, riskierte es, zurückgestoßen und erniedrigt zu werden, und das alles in der brüchigen Hoffnung, daß er ihr nicht wehtun würde. Und er tat es auch nicht. Vieles von dem, was sie machten, hätte mit einem anderen Partner leicht erniedrigend wirken können, aber mit Tony war alles erhebend und großartig. Doch sie konnte ihm immer noch nicht sagen, daß sie ihn liebte, nicht mit Worten, und doch zeigte sie es auf andere Weise, indem sie ihn bettelte, mit ihr zu tun, was er wollte, sich ihm schonungslos öffnete, schließlich vor ihm kniete und mit ihren Lippen und ihrer Zunge das letzte Quentchen Süße aus seinen Lenden saugte.
Der Haß Earl und Emma gegenüber war immer noch so stark wie zu Lebzeiten; denn ihrem Einfluß hatte sie ihre Unfähigkeit zu verdanken, Tony jetzt ihre Gefühle nicht offenbaren zu können. Sie fragte sich, was sie wohl tun müßte, um die Ketten zu zerreißen, die sie ihr angelegt hatten. Eine Weile lagen sie und Tony im Bett, hielten einander nur in den Armen und sagten nichts, weil es nichts gab, was gesagt werden mußte.
Zehn Minuten später, um halb fünf Uhr morgens, meinte sie: »Ich sollte jetzt nach Hause gehen.«
»Bleib.«
»Kannst du denn immer noch?«
»Du lieber Gott, nein! Ich bin völlig erledigt. Ich will dich nur festhalten. Bitte, schlaf hier«, entgegnete er. »Wenn ich bleibe, werden wir nicht schlafen.« »Kannst du denn noch?«
»Unglücklicherweise, mein lieber Mann, kann ich das nicht. Aber ich habe morgen einiges zu tun und du wohl auch. Und wir sind jetzt viel zu erregt und voneinander erfüllt, um ruhig zu werden, solange wir im selben Bett liegen. Wir berühren uns immer wieder, reden und kommen so nicht zum Schlafen.«
»Nun«, meinte er, »wir werden wohl lernen müssen, die Nacht miteinander zu verbringen. Ich meine, wir werden eine ganze Menge Nächte im selben Bett verbringen, meinst du nicht auch?«
»Viele, viele«, antwortete sie. »Die erste Nacht ist die schlimmste. Wir werden uns daran
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