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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ungläubig.
    »Warum denn nicht? Vielleicht ist Fryes Mutter tatsächlich von den Toten zurückgekehrt, um ihn zu holen. Vielleicht ist es ihr sogar gelungen.«
    »Herrgott, diese Frau in Los Angeles ist nicht seine Mutter!«
    »Vielleicht«, behauptete Hawthorne. »Vielleicht auch nicht.« Obwohl Joshua noch immer in seinem schweren Bürosessel saß, und der Sessel noch fest auf massivem Boden stand, hatte er das eigenartige Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren. Das Bild, das er sich von Hawthorne gemacht hatte, war das eines einigermaßen kultivierten, wohlerzogenen Bücherwurms gewesen, der sein etwas ungewöhnliches Geschäft hauptsächlich aufgrund guter Gewinne betrieb. Jetzt begann Joshua sich ernsthaft zu fragen, ob dieses Bild nicht völlig falsch war. Latham Hawthorne schien ebenso unheimlich wie die Ware, die er verkaufte.
     
    »Mr. Hawthorne, Sie sind offensichtlich ein tüchtiger, erfolgreicher Geschäftsmann. Wenn man Sie so reden hört, hält man Sie für einen gebildeten Menschen. Sie formulieren viel besser als die meisten Menschen, mit denen ich üblicherweise zu tun habe. In Anbetracht all dessen fällt es mir schwer, anzunehmen, daß Sie Dingen wie Seancen, Mystik und Untoten soviel Glauben schenken.« »Ich mache mich über nichts lustig«, erwiderte Hawthorne. »Und tatsächlich bin ich überzeugt, daß meine Bereitschaft zu glauben weniger seltsam ist als Ihre sture Ablehnung. Ich kann nicht begreifen, daß ein intelligenter Mensch nicht erkennen kann, daß es viele Welten jenseits unserer eigenen gibt, Realitäten, die über das hinausgehen, was wir erleben.« »Oh, ich glaube auch, daß die Welt vor Geheimnissen wimmelt und wir diese in Wirklichkeit nur zum Teil wahrnehmen«, antwortete Joshua. »Da will ich Ihnen gar nicht widersprechen. Aber ich vertrete auch die Ansicht, mit der Zeit wird unser Wahrnehmungsvermögen derart geschärft, daß die Geheimnisse alle von Wissenschaftlern erklärt werden können, von rational denkenden Menschen, die in Laboratorien arbeiten – nicht von abergläubischen Kultanhängern, die im Weihrauchdunst unsinnige Gesänge produzieren.« »Ich glaube nicht an Wissenschaftler«, erklärte Hawthorne. »Ich bin Satanist. In dieser Disziplin finde ich meine Antworten.«
     
    »Teufelsanbetung?« fragte Joshua. Der Okkultist verblüffte ihn immer wieder aufs neue.
    »Das ist eine recht primitive Formulierung. Ich glaube an den Anderen Gott, den Herrn der Finsternis. Seine Zeit naht, Mr. Rhinehart.« Hawthorne sprach ruhig, angenehm, als spräche er über das Wetter und nicht über Ungewöhnliches oder Kontroverses. »Ich sehe den Tag kommen, an dem Er Christus und all die geringeren Götter verjagt und den Thron der Welt für sich beansprucht, ein großer Tag. All die Anhänger anderer Religionen werden dann versklavt oder hingeschlachtet werden. Man wird ihre Priester köpfen und sie an die Hunde verfüttern. Auf den Straßen wird man Nonnen schänden. In den Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempeln feiert man dann schwarze Messen, und jeder Mensch auf der Erde wird Ihn verehren; man wird Babys auf jenen Altaren opfern, und Beelzebub wird bis zum Ende der Zeiten regieren. Bald, Mr. Rhinehart. Die Zeichen künden es. Sehr bald schon. Ich freue mich darauf.«
    Joshua wußte nicht, was er sagen sollte. Was Hawthorne hier von sich gab, war Wahnsinn, und doch klang er wie ein vernünftiger, rationaler Mensch. Er schrie oder geiferte nicht. In seiner Stimme schwang nicht einmal eine Andeutung von Hysterie mit. Die Gefaßtheit, die sanfte Art, mit der Hawthorne sprach, beunruhigte Joshua viel mehr, als würde Hawthorne geifern, schreien oder Schaum vor dem Mund haben. Joshua fühlte sich, als hätte er bei einer Cocktailparty einen Fremden kennengelernt, sich mit ihm eine Weile unterhalten, ihn sympathisch gefunden und dann plötzlich erkannt, daß er eine Gummimaske trug, ein raffiniertes falsches Gesicht, hinter dem das böse, grinsende Antlitz des Todes selbst steckte. Eine Schreckensmaske, nur umgekehrt. Ein Dämon, der sich hinter der Maske eines Durchschnittsmenschen versteckte, ein Alptraum wie von Edgar Alan Poe, zum Leben erwacht. Joshua schauderte.
    »Könnten wir es einrichten, daß wir uns treffen?« fragte Hawthorne. »Ich würde mir gerne die Büchersammlung ansehen, die Mr. Frye von mir erstanden hat. Ich kann jederzeit kommen. Welcher Tag würde Ihnen passen?« Joshua freute sich nicht darauf, diesen Mann persönlich kennenzulernen und mit ihm

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