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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Seite herunter und sah auf dem schwarzen Metall zwei rote Punkte erscheinen. Sie zielte erneut und drückte ab, ein zweites Mal. Nichts.
    Jesus! Was? Das kann doch keine Ladehemmung sein! Frye stand so völlig losgelöst von jeder Wirklichkeit im Raum, ganz und gar von seinem Wahnsinn besessen, so daß er nicht sofort merkte, welche Schwierigkeiten sie mit der Waffe hatte. Doch als er endlich begriff, was vorging, handelte er schnell, solange seine Situation so günstig schien. Er erreichte das Bett, kletterte hinauf, richtete sich auf und begann, über die Matratze zu gehen, wie ein Mann, der über eine Brücke aus Fässern balanciert und dabei leicht schwankt. Sie hatte das Durchladen vergessen. Sie tat es jetzt, wich dann zwei Schritte zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Wand stieß, und gab den ersten Schuß ab, ohne zu zielen, feuerte einfach in die Höhe, da er wie ein Dämon, der aus einem Höllenspalt entkommen war, über ihr aufragte. Der Knall erfüllte den Raum, hallte von den Wänden wider und brachte die Fensterscheiben zum Klirren. Sie sah das Messer zerspringen, sah einzelne Fragmente aus Fryes rechter Hand fliegen. Der scharfe Stahl flog durch die Luft nach hinten und blitzte einen Augenblick lang im Lichtstrahl, der durch die offene Schirmoberseite der Nachttischlampe leuchtete.
    Frye schrie auf, als das Messer seiner Hand entrissen war. Er fiel zurück und rollte auf der anderen Seite vom Bett herunter. Aber er stand gleich wieder auf seinen Beinen, preßte die rechte Hand mit seiner linken gegen den Leib. Hilary glaubte nicht, ihn getroffen zu haben. Nirgends war Blut zu sehen. Die Kugel mußte das Messer getroffen, es zerbrochen und ihm aus der Hand gerissen haben. Das hatte wahrscheinlich stärker geschmerzt als ein Peitschenhieb über die Finger.
    Frye schrie vor Schmerz, doch dann mischte sich Wut unter sein Heulen. Er stieß einen wilden Laut aus, den Schrei eines Schakals, aber bestimmt nicht den Schrei eines Tieres, das seinen Schwanz einzieht und flieht. Er wollte sie nach wie vor greifen.
    Sie feuerte erneut; er ging wieder zu Boden. Diesmal blieb er liegen.
    Mit einem leisen Wimmern der Erleichterung sank Hilary völlig ausgelaugt an der Wand in sich zusammen, wandte jedoch den Blick nicht von der Stelle ab, an der Frye zu Boden gegangen war; er lag jetzt, ihrem Blick verborgen, auf der Seite des Bettes.
    Kein Laut. Keine Bewegung.
    Es beunruhigte sie, ihn nicht sehen zu können. Sie legte ihren Kopf seitlich, lauschte angespannt, schob sich dann vorsichtig an das Fußende des Bettes, ins Zimmer hinaus und weiter links herum, bis sie ihn entdeckte.
    Bruno Frye lag bäuchlings auf dem schokoladenbraunen Edward-Fields-Teppich. Sein rechter Arm schien unter ihm begraben zu sein, seinen linken streckte er gerade aus, die Hand wirkte etwas verkrümmt und die reglosen Finger deuteten nach hinten auf seinen Kopf. Sein Gesicht lag von ihr abgewandt. Aufgrund des dunklen Teppichs und seines verwirrenden Musters fiel es Hilary schwer, aus der Entfernung festzustellen, ob Blut hineingesickert war. Ganz offensichtlich gab es keine riesige klebrige Lache, wie sie das erwartet hatte. Hatte der Schuß ihn in die Brust getroffen, so würde er womöglich mit seinem Körper die Blutlache zudecken. Ebensogut könnte die Kugel mitten durch seine Stirn gegangen sein und sofort Tod und Herzstillstand verursacht haben. In diesem Fall hätte es nur einige Blutstropfen gegeben. Sie beobachtete ihn eine Minute lang, zwei Minuten. Sie konnte keine Bewegung ausmachen, nicht einmal das schwache Heben und Senken seiner Brust bei der Atmung. Tot?
    Langsam, furchtsam näherte sie sich ihm. »Mr. Frye?«
    Sie hatte nicht vor, ihm allzu nahe zu kommen. Sie würde sich nicht wieder in Gefahr bringen, trotzdem wollte sie ihn aus der Nähe betrachten. Sie hielt die Waffe auf ihn gerichtet, war bereit, einen weiteren Schuß abzufeuern, falls er sich bewegte. »Mr. Frye?«
    Keine Reaktion.
    Seltsam, daß sie ihn noch immer ›Mr. Frye‹ nannte. Nach allem, was heute abend passiert war, was er ihr antun wollte, war sie noch immer höflich, ja förmlich. Vielleicht war er tot. Im Tod wird sogar dem schlimmsten Schurken auch von jenen, die wissen, daß er sein Leben lang ein Lügner und Schurke war, zurückhaltender Respekt entgegengebracht. Weil jeder von uns sterben muß, sagt man über einen Toten nichts Schlechtes. Man käme sich sonst vor, als würde man schlecht über sich selbst sprechen. Außerdem hat man Angst

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