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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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davor, sich vielleicht dadurch über jenes große allerletzte Geheimnis lustig zu machen – und die Götter herauszufordern. Hilary wartete ab und beobachtete ihn; die Minuten kamen ihr vor wie Stunden.
    »Wissen Sie was, Mr. Frye? Ich glaube, ich werde mit Ihnen kein Risiko mehr eingehen. Ich jage Ihnen jetzt noch eine Kugel in den Bauch. Oder besser noch in den Hinterkopf.« Dazu war sie natürlich nicht fähig. Ihrem Wesen nach glich sie keineswegs einer gewalttätigen Frau. Sie probierte die Pistole nur einmal auf dem Schießplatz aus, kurz nachdem sie sie erworben hatte. Aber sie wollte nie ein Lebewesen töten, das größer war als die Küchenschaben in jener Wohnung in Chicago. Daß sie die Willenskraft aufbrachte, auf Bruno Frye zu schießen, lag daran, daß er eine unmittelbare Bedrohung für sie darstellte und sie in Notwehr handelte, sprich, einen Adrenalinschock hatte. Hysterie, gepaart mit primitivem Überlebensinstinkt, befähigten sie für kurze Zeit dazu, Gewalt auszuüben. Aber jetzt, da Frye am Boden lag, reg- und lautlos und nicht bedrohlicher als ein Haufen schmutziger Lumpen, konnte sie den Abzug unter keinen Umständen betätigen. Sie schaffte es nicht, dazustehen und zuzusehen, wie sie einer Leiche das Gehirn aus dem Schädel blies. Allein bei dem Gedanken daran drehte es ihr schon den Magen um. Aber die bloße Drohung sollte eine Probe aufs Exempel sein – ob er vielleicht nur tot spielte. Wenn er das tat, würde ihn allein die Möglichkeit, sie schösse aus einem halben Meter Entfernung auf seinen Schädel, vielleicht doch dazu veranlassen, das Spiel aufzugeben.
    »Genau in den Schädel, Sie Schweinehund«, sagte sie noch mal und schoß dann in die Decke. Er zuckte nicht einmal. Sie seufzte und ließ die Waffe sinken. Tot. Er war tot.
    Sie hatte einen Menschen getötet.
    In der Angst vor alldem, was ihr jetzt mit Polizei und Reportern bevorstünde, bewegte sie sich vorsichtig um seinen ausgestreckten Arm herum und auf die Korridortür zu. Plötzlich war er nicht mehr tot.
    Plötzlich schien er wieder ganz lebendig zu sein und regte sich. Er hatte sie durchschaut. Er wußte ganz genau, daß sie versuchen würde, ihn zu übertölpeln. Er durchschaute sie nicht nur, sondern besaß zudem Nerven aus Stahl. Nicht einen Zucker hatte er getan.
    Jetzt benützte er den Arm, der unter seinem Körper lag, um sich hochzustemmen und sich im selben Moment auf Hilary zu werfen; gleich einer Schlange packte er mit seiner linken Hand ihr Fußgelenk und riß sie, schreiend und um sich schlagend, zu Boden. Dann rollten sie übereinander, ein Durcheinander von Armen und Beinen, rollten weiter; seine Zähne berührten ihren Hals, er knurrte wütend wie ein Hund; sie hatte plötzlich irre Angst, er könnte sie beißen, ihr die Halsschlagader aufreißen und ihr ganzes Blut heraussaugen. Doch schließlich gelang es ihr, eine Hand zwischen sich und ihn zu zwängen, ihre Handfläche unter sein Kinn zu drücken und seinen Kopf wegzustemmen, während sie sich ein letztes Mal übereinanderwälzten. Dann prallten sie mit großer Wucht gegen die Wand und blieben liegen, schwindlig keuchend. Er lag wie ein großes Tier über ihr, grob, brutal, zerdrückte sie, feixte, und seine grauenhaften kalten Augen blickten so erschreckend nahe, tot und leer, und sein Atem stank nach Zwiebeln und abgestandenem Bier; er griff mit einer Hand unter ihr Kleid, zerfetzte ihre Strumpfhose, versuchte seine dicken Klumpfinger unter ihr Höschen zu schieben, packte sie wie ein Tobsüchtiger, und allein die Vorstellung, was er ihr antun könnte, erzeugte in ihr schon Brechreiz. Sie wußte, daß man auf diese Weise eine Frau töten konnte. Und so bemühte sie sich verzweifelt, ihm seine Kobaltaugen auszukratzen oder ihn zu blenden. Aber er zog schnell den Kopf zurück, außer Reichweite; plötzlich erstarrten beide abrupt, weil ihnen im selben Augenblick klar wurde, daß sie die Pistole nicht hatte fallen lassen, als er sie zu Boden riß. Sie war also zwischen den Körpern festgeklemmt, die Mündung gegen seinen Unterleib gepreßt – und obwohl sie den Finger am Abzugsbügel, nicht etwa am Abzug selbst hatte, konnte sie ihre Hand etwas zurückziehen und den Finger an die richtige Stelle bringen; nun wurde ihr die Situation bewußt.
    Seine schwere Hand lag noch immer auf ihrer Scham. Ein obszönes Ding. Eine lederne, dämonische, widerwärtige Hand. Sie konnte die Hitze spüren, obwohl er einen Handschuh trug. Er hatte jetzt aufgehört, an ihrem

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