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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Frau mit einem Gesicht, so bleich wie das eines weißgeschminkten Zirkusclowns.
    Frye trat gegen die Tür. Sie erbebte im Rahmen, hielt aber stand.
    Die .32er Automatik lag auf drei Paar zusammengefalteten Pyjamas in der Schublade. Das geladene Magazin lag daneben. Sie griff mit zitternden Händen, die beinahe den Dienst versagten, nach der Waffe und rammte das Magazin in den Kolben. Dann drehte sie sich in Richtung Tür um. Frye trat gerade wieder gegen das Schloß, es war von einfacher Bauart, ein Innenschloß, wie man es hauptsächlich benutzt, um Kinder und neugierige Hausgäste einem Raum fernzuhalten. Gegen einen Eindringling wie Bruno Frye konnte es nichts ausrichten. Beim dritten Anlauf platzte der Beschlag aus dem Furnier, und die Tür flog krachend auf. Keuchend und schwitzend, gänzlich einem hitzigen Bullen ähnelnd, taumelte er aus dem finsteren Korridor über die Türschwelle herein. Er hatte die breiten Schultern nach vorne gezogen und die Fäuste geballt. Es schien, als wolle er augenblicklich den Kopf einziehen, losrennen und alles, was sich ihm in den Weg stellt, zerschmettern und vernichten. Blutgier flackerte deutlich in seinen Augen auf, und sein Abbild starrte ihn grimmig aus dem Wandspiegel neben Hilary an. Er wollte sich einen Weg durch den Porzellanladen bahnen und seine Besitzerin niedertrampeln.
    Hilary richtete die Pistole auf ihn und hielt sie fest mit beiden Händen umfaßt. Er blieb nicht stehen.
    »Ich schieße! Ich werde schießen! Ich schwöre bei Gott, daß ich's tue!« stammelte sie völlig außer sich. Frye blieb stehen, riß die Augen auf und erblickte die Waffe zum ersten Mal. »Hinaus!« drohte sie. Er machte keine Anstalten. »Verschwinden Sie hier!«
    Ungläubig tat er einen weiteren Schritt auf sie zu. Er schien nicht länger der selbstgefällige, berechnende Angreifer zu sein, der sein Spiel mit ihr trieb, so wie anfangs im Untergeschoß. Irgend etwas mußte mit ihm passiert sein; in seinem Innersten hatten sich irgendwelche Schalter bewegt und in seinem Geist neue Verhaltensweisen ausgelöst, neue Wünsche, Triebe, Bedürfnisse, noch viel ekelerregender und verkommener als seine bisherigen Begehrlichkeiten. Er handelte jetzt nicht einmal mehr zur Hälfte rational, sondern glich in seinem Verhalten einem Wahnsinnigen. Seine Augen blitzten nicht mehr eisig, sondern wäßrig und heiß, fiebernd. Der Schweiß strömte über sein Gesicht. Seine Lippen bewegten sich unablässig, doch er sagte nichts; sie verzerrten sich, legten seine Zähne frei, verzogen sich urplötzlich zu einem kindischen Schmollmund, dann wieder zu einer höhnischen Grimasse, gleich darauf zu einem unheimlich wirkenden kleinen Lächeln und schließlich zu einem grauenvollen Ausdruck, den man nicht beschreiben konnte. Ihn trieb jetzt weder sexuelles Verlangen, noch der Wunsch, sie zu beherrschen; die geheime Triebfeder, die sein Verhalten nun steuerte, hatte etwas Unheimliches an sich. Hilary übermannte das furchtbare, irre Gefühl, dieser Wahnsinn könne ihm irgendwie soviel Energie verleihen und ihn vor allem schützen, so daß er unberührt vom Kugelregen weiter vorrücken würde. Er zog das riesige Messer aus der Scheide an seiner rechten Hüfte und hielt es ausgestreckt auf sie gerichtet. »Zurück!« schrie sie verzweifelt. »Miststück!«
    »Zurück habe ich gesagt!«
    Wieder bewegte er sich auf sie zu. »Um Himmels willen!« warnte sie ihn. »Sie sollten das ernstnehmen. Gegen eine Schußwaffe haben Sie mit dem Messer keine Chance.« Er stand noch vier oder fünf Meter von der anderen Bettseite entfernt.
    »Ich blase Ihnen Ihren gottverdammten Schädel weg!« Frye fuchtelte mit dem Messer herum, beschrieb mit der Spitze ganz schnelle kleine Kreise in der Luft, so, als würde er mit einem Talisman die bösen Geister zwischen sich und Hilary einschüchtern und abwehren. Und dann rückte er wieder einen Schritt vor. Sie richtete den Lauf der Waffe auf seinen Bauch, damit sie – egal, wie stark der Rückstoß ihre Hand hochreißen würde, oder ob die Waffe nach links oder rechts ausbräche – ein lebenswichtiges Organ träfe. Dann drückte sie ab. Nichts geschah. Bitte, lieber Gott!
    Er machte weitere zwei Schritte auf sie zu. Sie starrte benommen die Pistole an. Sie hatte vergessen, den Sicherungshebel umzulegen.
    Er stand jetzt vielleicht noch zweieinhalb Meter von der anderen Bettseite entfernt. Vielleicht auch bloß zwei. Sie schimpfte mit sich selbst, drückte die beiden winzigen Hebel an der

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