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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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und hätte sie erwischt, wenn er nicht gestolpert und dabei auf ein Knie gestürzt wäre.
    Wieder wich ihr Zorn der Furcht; sie floh, rannte in den Eingangsflur Richtung Tür, wußte aber, daß sie nicht die Zeit finden würde, um beide Riegel zurückzuziehen und das Haus zu verlassen, ehe er sie erwischt hatte. Er war verdammt nahe, höchstens zwei, drei Schritte hinter ihr. Sie machte einen Satz nach rechts und hetzte die Wendeltreppe hinauf, nahm mit jedem Schritt zwei Stufen.
    Ihr Atem klang gehetzt , aber trotz ihres eigenen Keuchens hörte sie ihn näher kommen. Seine Schritte dröhnten; er fluchte. Die Pistole. Im Nachttisch. Könnte sie ihr Schlafzimmer mit genügend Vorsprung erreichen, um die Tür vor ihm zuzuknallen und abzusperren, so würde ihn das ein paar Sekunden lang aufhalten, zumindest lange genug, um an die Pistole ranzukommen.
    Oben an der Wendeltreppe, im Flur der Obergeschosses, als sie glaubte, wenigstens einige Schritte Abstand herausgeschunden zu haben, packte er sie unvermittelt an der rechten Schulter und riß sie wieder an sich heran. Sie schrie, versuchte aber nicht, sich ihm zu entziehen, wie er das offenbar erwartet hatte, sondern ging vielmehr in dem Augenblick, in dem er sie packte, auf ihn los. Sie preßte sich an ihn, ehe er den Arm um sie legen und sie festhalten konnte, preßte sich so dicht an ihn, daß sie seine Erektion spüren konnte, und trieb ihm das Knie hart in den Unterleib. Er reagierte, als hätte ihn ein Blitzschlag getroffen. Die Aufwallung von Wut wich aus seinem Gesicht; seine Haut blitzte plötzlich knochenweiß, und das im Bruchteil einer Sekunde. Sein Griff löste sich, er taumelte zurück, glitt am Rand der ersten Stufe aus; seine Arme schlugen wie Windmühlenflügel, während er stürzte, schrie, sich zur Seite warf, das Geländer umklammerte; es glückte ihm, den Sturz aufzufangen.
    Offenbar hatte er nicht viel Erfahrung im Umgang mit Frauen, die sich wirksam wehrten. Zweimal gelang es ihr, ihn auszutricksen. Er glaubte wohl, einem netten, harmlosen Häschen auf der Spur zu sein, einer scheuen Beute, die man leicht einschüchtern, benutzen und anschließend fast spielerisch zerbrechen konnte. Aber sie hatte sich der Situation gestellt, ihm Fänge und Klauen gezeigt, und sein schockierter Gesichtsausdruck verlieh ihr neuen Auftrieb.
    Sie hatte erwartet, daß er die ganze Treppe hinunterstürzen und sich dabei den Hals brechen würde, oder zumindest ihr Schlag in seine Weichteile ihn für ein oder zwei Minuten außer Gefecht setzen würde, so lange wenigstens, um die Oberhand zu gewinnen. Deshalb reagierte sie sichtlich schockiert, als er sich schon nach wenigen Augenblicken, ehe sie Zeit hatte, kehrtzumachen und wegzurennen, vom Geländer abstieß und mit schmerzverzerrtem Gesicht erneut auf sie zukam. »Miststück!« fluchte er mit zusammengebissenen Zähnen, kaum fähig zu atmen.
    »Nein!« schrie sie. »Nein! Bleiben Sie, wo Sie sind!« Sie kam sich vor wie eine Gestalt in einem jener uralten Horrorfilme, die Hammer Films einmal produziert hatten. Sie
    stand im Kampf mit einem Vampir oder Zombie, stets aufs neue schockiert und entmutigt von den übernatürlichen Kraftreserven der Bestie. »Miststück!«
    Sie rannte den Flur entlang, in ihr Schlafzimmer, knallte die Tür hinter sich zu, tastete in der Finsternis nach dem Knopf, der den Riegel betätigte, fand schließlich den Lichtschalter und sperrte ab.
    Den Raum erfüllte ein fremdartiges, beängstigendes Geräusch, ein lautes, heiseres schreckerfülltes Stöhnen. Verzweifelt sah sie sich um, wollte herausfinden, woher es kam, bis ihr plötzlich klar wurde, daß sie ihr eigenes, unkontrolliertes Schluchzen hörte.
    Sie befand sich gefährlich nahe am Rande einer Panik, wußte aber, daß sie sich zusammenreißen mußte, wenn sie überleben wollte.
    Plötzlich zerrte Frye an der versperrten Tür und warf sich dann mit seinem ganzen Gewicht dagegen. Noch hielt sie, aber lange würde sie nicht standhalten; ganz sicher nicht so lange, um die Polizei anzurufen und auf Hilfe zu warten. Ihr Herz schlug wie wild; sie zitterte, als stünde sie nackt auf einem ausgedehnten Eisfeld, doch sie schien fest entschlossen zu sein, sich von der Furcht nicht den Verstand rauben zu lassen. Sie rannte quer durch den großen Raum, um das Bett herum, auf den Nachttisch zu. Dabei kam sie an einem vom Boden bis zur Decke reichenden Wandspiegel vorbei, der das Bild einer völlig Fremden zurückwarf, einer eulenäugigen, gehetzten

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