Flüstern in der Nacht
begangen worden. Ich glaube nun, daß Frye Ihnen vielleicht etwas erzählt haben könnte, das für sich allein betrachtet wahrscheinlich gar nicht wichtig erscheint, das aber mit den Dingen in Verbindung stehen könnte, die ich ausfindig gemacht habe. Falls Sie in diesen achtzehn Monaten Ihrer Behandlung irgend etwas in Erfahrung brachten, was meine Informationen ergänzt, dann reicht das für mich vielleicht schon aus, um zu erkennen, an welche Polizeibehörde ich mich wenden muß – vielleicht genügt das dann, um die Polizei davon zu überzeugen, wie ernst die Lage ist.«
»Nun ...«
»Dr. Rudge, wenn Sie darauf bestehen, diesen ganz speziellen Patienten weiterhin zu schützen, kann es noch zu weiteren Morden kommen. Es kann sein, daß noch mehr Frauen sterben müssen. Wollen Sie Ihr Gewissen derart belasten?« »Also gut«, antwortete Rudge. »Aber das läßt sich nicht am Telefon abhandeln.«
»Ich komme morgen nach San Franzisko, so früh es Ihnen möglich ist.«
»Ich habe morgen vormittag Zeit«, entgegnete Rudge. »Ist es Ihnen recht, wenn meine zwei Begleiter und ich um zehn Uhr in Ihr Büro kommen?«
»Einverstanden«, meinte Rudge. »Aber ich warne Sie – ehe ich näher auf Mr. Fryes Therapie eingehe, möchte ich mehr über Ihre Beweise hören.« »Selbstverständlich.«
»Und falls mich das nicht überzeugt, daß akute Gefahr besteht, bleibt seine Akte geschlossen.«
»Oh, ich zweifle nicht daran, daß wir Sie überzeugen können«, erklärte Joshua. »Ich bin ganz sicher, daß Ihnen alle Haare zu Berge stehen werden. Bis morgen also, Doktor.« Joshua legte auf. Er schaute Tony und Hilary an. »Der morgige Tag wird anstrengend werden. Zuerst San Franzisko und Dr. Rudge, dann Hollister und die mysteriöse Rita Yancy.« Hilary erhob sich von der Couch. »Mir ist es egal, und wenn wir um die halbe Welt fliegen müssen. Zumindest scheint es jetzt weiterzugehen. Ich habe zum erstenmal das Gefühl, daß wir herausfinden werden, was hinter all dem steckt.« »So geht es mir auch«, erklärte Tony. Er lächelte Joshua zu. »Wissen Sie ... wenn ich mir überlege, wie Sie das mit Rudge angestellt haben ... Sie besitzen echtes Talent, Menschen zu verhören. Sie würden einen guten Detektiv abgeben.« »Das kommt auch auf meinen Grabstein«, lachte Joshua. »›Hier liegt Joshua Rhinehart, ein netter Miesepeter, der einen guten Detektiv abgegeben hätte.‹« Er stand auf. »Jetzt habe ich Hunger. Zu Hause liegen Steaks im Kühlschrank und im Keller lagert eine Menge guter Rotwein. Worauf warten wir noch?«
Frye wandte sich von dem blutbesudelten Bett und der mit Blut bespritzten Wand dahinter ab.
Er legte das blutige Messer auf den Nachttisch und ging aus dem Zimmer.
Unheimliche Stille erfüllte das Haus.
Seine dämonische Energie schien dahin. Seine Bewegungen wirkten schlaff und schwerfällig; er war gesättigt. Im Bad stellte er die Dusche an, so heiß er es gerade noch ertragen konnte, seifte sich ein und wusch sich das Blut aus den Haaren, vom Gesicht, vom ganzen Körper. Er reinigte sich, seifte sich dann ein zweites Mal ein und duschte sich erneut ab.
Sein Gehirn war leer. Er dachte lediglich an den Vorgang des Waschens. Der Anblick der blutigroten Brühe, die sich in den Abfluß ergoß, erinnerte ihn nicht an die tote Frau im Zimmer nebenan; er spülte einfach nur Schmutz weg. Er wollte sich nichts als säubern und anschließend die nächsten paar Stunden in seinem Lieferwagen schlafen. Er fühlte sich erschöpft. Seine Arme wirkten bleiern und seine Beine wie Gummi.
Er verließ die Duschkabine und trocknete sich mit einem großen Handtuch ab. Das Tuch roch wie die Frau, aber das erweckte in ihm weder angenehme noch unangenehme Assoziationen.
Er stand lange Zeit vor dem Waschbecken und hantierte mit einer Bürste, die er neben der Seifenschale gefunden hatte, an seinen Händen herum, schrubbte seine Nägel, Fingerspitzen und -kuppen ab, bis auch die letzten Überreste von Blut beseitigt waren.
Beim Verlassen des Badezimmers und beim Holen seiner Kleider aus dem Schlafzimmer entdeckte er an der Tür einen bis zum Boden reichenden Spiegel, der ihm vorher nicht aufgefallen war. Er blieb stehen und musterte sich kritisch darin auf irgendwelche Blutschmierer hin, die er vielleicht übersehen hatte. Aber er schaute makellos frisch und rosafarben aus wie ein frischgebadetes Baby.
Er starrte das Spiegelbild seiner Geschlechtsorgane an, bemühte sich, das Zeichen des Dämons zu erkennen. Er
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