Flüstern in der Nacht
von den Wänden zusehends eingeengt zu werden. Er sah sich um, überlegte, was er tun sollte, weil seine Untätigkeit die Angst vor dem Eingeschlossensein noch verstärkte.
Die Hanteln langweilten ihn lange bevor seine mächtigen Arme von der Anstrengung zu schmerzen begannen.
Er nahm ein Buch von einem der Regale und versuchte zu lesen, konnte sich aber nicht konzentrieren.
Sein Gehirn schien immer noch nicht zur Ruhe gekommen zu sein; es sprang von einem Gedanken zum nächsten, wie ein verzweifelter Juwelier, der einen Beutel Diamanten sucht, den er verlegt hat.
Er sprach mit seinem toten Ich.
Er suchte in den staubigen Ecken nach Spinnen und zerdrückte sie.
Er sang vor sich hin.
Hier und da lachte er, ohne wirklich zu wissen, warum. Er weinte auch. Er verfluchte Katherine. Er schmiedete Pläne.
Und die ganze Zeit ging er, ging er auf und ab. Es drängte ihn danach, das Haus zu verlassen und die Suche nach Hilary-Katherine aufzunehmen, aber er wußte, daß es unsinnig wäre, bei Tageslicht hinauszugehen. Er war sicher, daß Katherines Mitverschwörer überall in St. Helena lauerten. Ihre Freunde aus dem Grab. Andere Untote, Männer und Frauen der anderen Seite, die sich in neuen Körpern versteckten. Und alle würden nach ihm Ausschau halten. Ja. Ja. Vielleicht waren es Dutzende. Untertags würde er zu sehr auffallen. Er würde bis Sonnenuntergang warten müssen, ehe er anfing, das Miststück zu suchen. Obwohl die Nacht die Lieblingszeit der Untoten war, die Zeit, in der sie in besonders großer Zahl ausschwärmten, er sich also in schrecklicher Gefahr befände, machte er nachts auf Hilary-Katherine Jagd, so würde die Dunkelheit doch auch vorteilhaft für ihn sein. Ein Nachtschatten würde ihn ebenso gut vor den Untoten verbergen wie umgekehrt. Und indem so ein Gleichgewicht herrschte, würde der Ausgang der Jagd nur davon abhängen, wer schlauer war – er oder Katherine –, und sollte das der einzige Maßstab sein, dann war seine Chance vielleicht besser denn je, denn Katherine war raffiniert, unendlich böse und verschlagen, aber nicht so schlau wie er.
Wenn er sich tagsüber im Haus versteckte, befände er sich wohl in Sicherheit, so dachte er, und das war eigentlich verrückt, weil er sich schließlich in den fünfunddreißig Jahren Zusammenleben mit Katherine keine Minute sicher gefühlt hatte. Jetzt schien das Haus ein verläßlicher Zufluchtsort, denn hier würden Katherine und ihre Mitverschwörer zuallerletzt nach ihm suchen. Sie wollte ihn fangen und an genau diesen Ort zurückbringen. Das wußte er. Er wußte es! Nur ein einziges Ziel hatte sie aus dem Grab zurückgeholt: Sie wollte ihn auf die Klippe schleppen, um das Haus herum, zu der Tür im Boden am Ende der Rasenfläche hinter dem Haus. In dieses Loch im Boden wollte sie ihn stecken, ihn für immer dort einschließen. Das hatte sie ihm angedroht – wenn sie je zurückkehrte, um ihn zu bestrafen, würde sie genau das tun. Er hatte es nicht vergessen. Und deshalb rechnete sie jetzt damit, daß er einen weiten Bogen um die Klippe und das Haus machte, und käme nie auf die Idee, in jenem alten Raum auf dem Dachboden nach ihm zu suchen; nicht einmal in einer Million Jahren würde sie das tun.
Seine exzellente Strategie begeisterte ihn derart, daß er laut lachte. Aber dann kam ihm ein schrecklicher Gedanke: Wenn sie doch auf die Idee käme, hier nach ihm zu suchen, und vielleicht mit ein paar von ihren Freunden käme, weiteren Untoten, um ihn mit deren Hilfe zu überwältigen, dann würden sie ihn nicht weit zu schleppen brauchen. Die Tür im Boden lag dicht hinter dem Haus. Sollten Katherine und ihre höllischen Freunde ihn hier finden, würden sie ihn zu dieser Tür schleppen und in den dunklen Raum stoßen, in das Gewisper; und das Ganze würde nicht einmal eine Minute dauern.
Verängstigt rannte er zum Bett zurück, setzte sich neben sein anderes Ich, versuchte, sich selbst zu beruhigen und sich einzureden, daß alles gut würde.
Joshua konnte nicht stillsitzen. Er ging auf einem der geblümten Läufer in Mrs. Yancys Salon auf und ab.
Die alte Frau sagte: »Als Katherine Zwillinge zur Welt brachte, begriff sie, daß die komplizierte Lüge um Mary Günther, die sie in die Welt gesetzt hatte, nicht länger Bestand haben konnte. Die Leute in St. Helena waren auf ein Kind vorbereitet. Ganz gleich, wie sie das zweite Baby auch erklärte, sie würde Argwohn ernten. Und der Gedanke, jeder, der sie kannte, könnte herausfinden,
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