Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
dann hätte sie doch immer noch behaupten können, der wäre es nicht gewesen. Kein Mensch hätte sie zwingen können, irgend jemanden ins Gefängnis zu schicken.« »Das stimmt«, pflichtete Tony ihm bei. »Die meisten Fälle dieser Art werden nie aufgeklärt. Wahrscheinlich wäre die Polizei sicht lich verblüfft gewesen, hätte Katherine tatsächlich jemanden identifiziert.«
    »Ich kann schon verstehen, warum sie das nicht getan hat«, erklärte Hilary. »Auf die Weise hätte sie eine endlose Erniedrigung in Kauf nehmen müssen. Viele Leute glauben, daß eine vergewaltigte Frau die Tat selbst herausgefordert hat.« »Das ist mir bekannt«, entgegnete Joshua. »Ich behaupte ja auch immer, die meisten meiner Mitmenschen sind ziemliche Idioten und Heuchler. Aber in St. Helena war das nie so schlimm. Die Leute hier wirken ziemlich aufgeklärt und modern und hätten Katherine sicherlich keine Vorwürfe gemacht, die meisten wenigstens nicht. Und das muß sie auch gewußt haben; deshalb meine ich, es wäre viel einfacher gewesen, diesen Weg einzuschlagen, statt jener komplizierten Geschichte mit dieser Mary Günther – und sich dann noch Sorgen darüber machen zu müssen, daß man diese Geschichte zeit ihres Lebens glaubte.« Die Katze drehte sich auf Mrs. Yancys Schoß um. Die alte Frau kraulte ihr den Bauch.
    »Leo wollte die Schwangerschaft nicht auf einen Notzuchttäter schieben, weil das die Polizei auf den Plan gerufen hätte«, erwiderte Mrs. Yancy. »Leo hatte heiligen Respekt vor den Bullen. Als ziemlich autoritärer Typ hielt er die Bullen für besser, als sie in Wirklichkeit sind, und hatte Angst, sie würden eine solche Geschichte vielleicht durchschauen. Er wollte keinerlei Aufmerksamkeit erregen, wenigstens keine Aufmerksamkeit dieser Art. Er hatte panische Angst davor, die Bullen könnten vielleicht die Wahrheit herausfinden. Denn er verspürte nicht die geringste Lust, wegen Blutschande ins Gefängnis zu wandern.«
    »Hat Ihnen Katherine das erzählt?« fragte Hilary. »Richtig. Wie gesagt, sie hat ja ihr ganzes Leben mit dieser Schande gelebt; sie glaubte, sie würde vielleicht bei der Entbindung sterben und wollte wenigstens irgend jemandem ihr Leiden erzählen. Leo jedenfalls vertrat die Überzeugung, ihm drohe keine Gefahr, wenn Katherine ihre Schwangerschaft verbergen konnte und es schaffte, die Leute in St. Helena zu täuschen. Wenn das gelänge, wäre es möglich, das Kind als illegitimes Baby einer Freundin Katherines aus der Collegezeit auszugeben.« »Also zwang sie ihr Vater, ein Korsett zu tragen«, meinte Hilary und empfand mehr Mitgefühl für Katherine Frye, als sie je für möglich gehalten hätte. »Er hat ihr diese Qual auferlegt, um sich selbst zu schützen. Das Ganze war seine Idee.« »Ja«, entgegnete Mrs. Yancy. »Sie konnte sich ihm gegenüber nie durchsetzen. Sie hat immer alles getan, was er von ihr verlangte. Und diesmal verhielt es sich nicht anders. Sie hat gehungert und gefastet und enge Korsetts getragen, obwohl es ihr fürchterliche Schmerzen bereitete. Sie hat es getan, weil sie Angst davor hatte, ihm nicht zu gehorchen. Was nicht gerade verwundert, wenn man bedenkt, daß er gute zwanzig Jahre damit verbracht hat, ihren Willen zu brechen.«
    »Sie ist von zu Hause weg aufs College gegangen«, fing Tony an. »Bedeutete das nicht den Versuch, Unabhängigkeit zu gewinnen?«
    »Nein«, antwortete Mrs. Yancy. »Das College war Leos Idee. Er ist 1937 sieben oder acht Monate nach Europa gereist, um den Rest seiner Besitztümer in der Alten Welt zu verkaufen. Er sah den Weltkrieg heranrücken und wollte nicht, daß ihm sein Besitz drüben weggenommen würde. Er wollte Katherine nicht mit auf die Reise nehmen, wahrscheinlich weil er Geschäft irgendwie mit Vergnügen verbinden wollte. Sex schien ihm das Allerwichtigste. Und wie ich höre, bieten einige dieser Bordelle in Europa alle möglichen Perversionen, und das hat ihn sicherlich gereizt. Dieser dreckige alte Bock! Katherine wäre ihm im Weg gewesen. Er entschied, sie aufs College zu schicken, während er außer Landes weilte, und richtete es so ein, daß sie bei einer ihm bekannten Familie in San Franzisko wohnen konnte. Den Leuten gehörte eine Firma, die in der Bay Area Wein, Bier und Spirituosen vertrieb, darunter auch Produkte seiner Firma.« »Das war aber für ihn doch recht riskant«, meinte Joshua. »Er sah das offenbar anders«, meinte Mrs. Yancy, »und er behielt auch recht. In all den Monaten, die er nicht bei ihr

Weitere Kostenlose Bücher