Flüstern in der Nacht
Sie seien von der Mordkommission?«
Die Band beendete Still the Same mit Klirren, Krachen und Dröhnen. Es erinnerte an die Entgleisung eines zu schnell fahrenden Güterzuges. Dann herrschte ein paar Minuten lang Frieden, während der Sänger der Gruppe sich nicht besonders geschickt mit den Gästen unterhielt, die eingehüllt in Rauchwolken dasaßen. Tony war überzeugt davon, daß sie teilweise vom Zigarettendampf, teilweise wohl von verbrannten Trommelfellen herrühren mußten. Die Musiker taten so, als würden sie ihre Instrumente stimmen. »Wenn Bobby Valdez an eine Frau gerät, die sich ihm widersetzt«, erklärte Tony dem Barkeeper, »dann schlägt er so lange mit dem Pistolenkolben auf sie ein, bis sie williger wird. Vor fünf Tagen hat er sich an Opfer Nummer zehn herangemacht; sie wehrte sich, und da hat er so kräftig und so häufig zugeschlagen, daß sie zwölf Stunden später im Krankenhaus starb. Deshalb wurde die Mordkommission auf den Plan gerufen.«
»Ich verstehe bloß nicht«, meinte die Blondine, »warum es Typen gibt, die sich etwas mit Gewalt holen, was manche Mädchen doch ganz freiwillig herausrücken.« Sie zwinkerte Tony zu, doch er zwinkerte nicht zurück.
»Ehe die Frau starb«, erklärte Frank, »lieferte sie uns eine Beschreibung, die haarscharf auf Bobby paßt. Wenn Sie also mehr über diesen verdammten Schweinehund wissen, so müssen wir das erfahren.«
Otto schien in seiner Freizeit nicht nur Spionagefilme, sondern auch Polizeifilme angeschaut zu haben. Deshalb sagte er jetzt: »Sie suchen ihn also in erster Linie wegen Mordes.« »Exakt«, meinte Tony. »Genau das tun wir.«
»Wie kommt es, daß Sie sich da gerade bei mir erkundigen?« »Er hat sieben dieser zehn Frauen in Single-Lokalen angesprochen, auf Parkplätzen – «
»Aber sicher keine auf unserem Parkplatz«, unterbrach ihn Otto sofort. »Unser Parkplatz ist gut beleuchtet.« »Das stimmt«, räumte Tony ein. »Aber wir nehmen uns die Single-Bars der ganzen Stadt vor, sprechen mit sämtlichen Barkeepern und Stammgästen, zeigen ihnen diese Bilder und versuchen so, etwas über Bobby Valdez in Erfahrung zu bringen. Ein paar Leute in einem Lokal in Century City sagten uns, sie hätten ihn vermutlich hier gesehen, wären sich aber nicht ganz sicher.«
»Doch, er ist hier gewesen«, meinte Otto. Jetzt, da Tony Ottos gesträubte Federn geglättet hatte, übernahm Frank wieder das Verhör. »Er hat hier also Unruhe gestiftet; Sie haben Ihren Bierglastrick vorgeführt, und dann hat er Ihnen seinen Ausweis gezeigt.« »Genau.«
»Und welcher Name stand auf dem Ausweis?« Otto runzelte die Stirn. »Das weiß ich nicht so sicher.« »War es Robert Valdez?« »Glaub' ich nicht.« »Versuchen Sie sich zu erinnern.« »Es war wohl ein Chicano-Name.«[Chicano: im amerikanischen Slang Bezeichnung für Mexikaner und amerikanische Bürger mexikanischer Abstammung — Anmerkung des Übersetzers.]
»Valdez ist ein Chicano-Name.«
»Der Name deutete noch viel stärker auf Chicano als der.«
»Was soll das heißen?«
»Nun . . . länger . . . und mit ein paar Zs.«
»Zs?«
»Und Qs. Sie wissen schon, was für Namen ich damit meine. So etwas wie Velasquez.« »Stand Velasquez drauf?« »Nee, aber so ähnlich.« »Hat er mit V angefangen?«
»Das weiß ich nicht so genau. Ich meine nur, er hat so geklungen.«
»Und der Vorname?« »Ich glaube, an den erinnere ich mich.« »Und?« »Juan.« »J-U-A-N?«
»Yeah. Sehr Chicano.«
»Ist Ihnen auf dem Ausweis eine Adresse aufgefallen?« »Dafür hab' ich mich nicht interessiert.« »Hat er vielleicht erwähnt, wo er wohnt?« »Nun, wir haben uns ja nicht miteinander angefreundet.« »Hat er überhaupt etwas von sich erzählt?« »Er hat nur seelenruhig sein Glas ausgetrunken und ist dann gegangen.«
»Und nie wiedergekommen?« »Stimmt.«
»Da sind Sie ganz sicher?«
»In meiner Schicht ist er jedenfalls nicht mehr aufgetaucht.« »Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
»Bloß bei Unruhestiftern und solchen, die besonders gut aussehen.«
»Wir würden diese Fotos gern ein paar von Ihren Kunden zeigen«, meinte Frank. »Ja, geht in Ordnung.«
Die Blondine, die neben Tony Clemenza saß, sagte plötzlich: »Darf ich sie mir genauer ansehen? Vielleicht war ich damals gerade hier. Vielleicht hab' ich mit dem sogar geredet.« Tony nahm die Fotos und drehte sich auf seinem Barhocker um.
Sie drehte sich im selben Augenblick um und drückte dabei ihre Knie gegen die seinen. Als sie
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