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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ihrer selbst einstudierten Choreographie zu ergötzen. Ich muß wissen, was die Lady für Schritte macht, wie und warum sie sich so bewegt, was sie empfindet und denkt. Sex wird einfach um Längen besser, wenn sie einem etwas bedeutet, ein Individuum ist, ein Mensch mit Stärken und Schwächen, nicht einfach nur ein glatter Körper, vielleicht an den richtigen Stellen gerundet. Ich suche die einmalige Persönlichkeit, den Charakter mit Sprüngen, Narben und Spuren von Erfahrung.«
    »Ich kann nicht glauben, was ich da höre«, sagte Frank, während er das Gaspedal betätigte. »Das klingt wie dieser alte, abgedrosche Quatsch, daß Sex billig ist und man keine Erfüllung findet, wenn nicht auch Liebe im Spiel ist.« »Ich rede auch nicht von unsterblicher Liebe«, antwortete Tony. »Ich spreche auch nicht von den ewigen Treuegelübden bis ans Ende aller Zeiten. Man kann jemanden doch eine Weile lieben und sogar dann noch, wenn der physische Teil der Beziehung vorbei ist. Mit einer ganzen Menge Frauen, mit denen ich längere Zeit zusammen war, bin ich heute noch befreundet, weil wir uns gegenseitig nicht als Trophäen betrachteten – uns verbinden Gemeinsamkeiten, auch ohne daß wir das Bett miteinander teilen. Hör' zu, ehe ich mit einer Frau ins Bett springe und mich vor ihr in jeder Weise entblöße, so daß sie imstande ist, mir wehzutun, möchte ich gern wissen, ob ich ihr vertrauen kann. Ich möchte das Gefühl haben, sie stelle auf irgendeine Art etwas Besonderes dar. Sie soll mir wichtig sein, ein Mensch, den es zu kennen lohnt, dem ich mich gerne offenbare und bei dem ich mich freue, wenn er für eine Weile ein Teil von mir ist.«
    »Quatsch«, behauptete Frank verächtlich. »So empfinde ich aber.« »Laß dich warnen.« »Nur zu.«
    »Du bekommst den besten Rat deines Lebens.« »Ich höre.«
    »Wenn du glaubst, die wahre Liebe existiere tatsächlich, wenn du wirklich überzeugt bist, es gebe die Liebe und sie sei ebenso stark und echt wie Haß und Furcht, dann riskierst du dabei eine Menge Schmerz. Das Ganze ist eine Lüge, eine große Lüge. Die Liebe haben die Bücherschreiber erfunden, um ihre Werke besser verkaufen zu können.«
    »Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
    »Ach, zum Teufel.« Frank wandte den Blick kurz von der Straße ab und schaute Tony mitleidig an. »Wie alt bist du – dreiunddreißig?«
    »Fast fünfunddreißig«, erwiderte Tony.
    Frank konzentrierte sich wieder auf die Straße und überholte einen langsam fahrenden, mit Altmetall beladenen Lastwagen.
    »Nun, ich bin zehn Jahre älter«, erklärte Frank. »Hör' also auf die Weisheit des Alters. Über kurz oder lang wirst du glauben, dich in irgend so ein hübsches Ding verliebt zu haben. Doch sobald du dich bückst, um ihre hübschen Füße zu küssen, wird sie dir einen Tritt in den Arsch verpassen. Machst du ihr erst klar, daß du ein Herz hast, so wird sie es brechen, darauf wette ich. Zuneigung? Sicher. Das geht in Ordnung. Und Spaß. Spaß gehört dazu, mein Freund, darauf kommt es wirklich an. Das ist es, worum die Welt sich dreht. Aber keine Liebe. Ich rate dir, all diesen Scheiß von wegen Liebe schnell zu vergessen. Gönn' dir Spaß und tu' es, solang du jung bist. Du mußt sie bumsen und dann abhau'n. Auf die Weise wirst du dir nicht wehtun. Wenn du aber weiter von deiner Liebe träumst, wirst du dich verdammt zum Narren halten lassen, immer und immer wieder, bis sie dich schließlich frühzeitig unter die Erde bringen.« »Das ist furchtbar zynisch.« Frank zuckte mit den Achseln.
    Vor sechs Monaten hatte er all die Qualen einer Scheidung endlich hinter sich gebracht, aber die Erfahrung noch immer nicht verwunden.
    »In Wirklichkeit bist du alles andere als zynisch«, behauptete Tony. »Ich glaube nicht, daß du ernst meinst, was du eben gesagt hast.« Frank schwieg.
    »Du bist ein Mensch voller Gefühle«, fuhr Tony fort. Frank zuckte wieder mit den Achseln.
    Tony versuchte in den nächsten Minuten immer wieder, die ins Stocken geratene Unterhaltung zu neuem Leben zu erwecken. Doch Frank hatte alles gesagt, was er zu diesem Thema äußern wollte. Er versank wieder wie gewöhnlich in sein sphinxartiges Schweigen. Eigentlich hatte Frank sogar überraschend viel geredet, mehr als üblich. Jetzt, da Tony nachdachte, gewann er sogar den Eindruck, diese kurze, gerade beendete Diskussion sei die längste gewesen, die sie je geführt hatten.
    Tony arbeitete jetzt seit mehr als drei Monaten mit Frank Howard zusammen und wußte

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