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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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immer noch nicht sicher, ob die Partnerschaft auf die Dauer gutgehen würde. Sie waren in vieler Hinsicht sehr verschiedene Typen. Tony redete gern. Frank reagierte normalerweise darauf nur mit einem Brummen. Tony interessierten neben seinem Job noch eine Menge anderer Dinge: Filme, Bücher, gutes Essen, Theater, Musik, Kunst, Skilaufen, Jogging. Frank andererseits konnte sich – soweit bekannt – für praktisch nichts als seine Arbeit begeistern. Tony vertrat die Ansicht, einem Detektiv stünden eine Menge Mittel zur Verfügung, um aus einem Zeugen Informationen herauszuholen; dazu gehörten auch Freundlichkeit, Sanftmut, Witz, Sympathie, Einfühlungsvermögen, Charme, Hartnäckigkeit, Schlauheit – und natürlich auch Einschüchterung und ganz selten, vorsichtig dosiert, etwas Gewalt. Frank hingegen glaubte, Hartnäckigkeit, Schläue, Einschüchterung und ein klein wenig mehr Gewalt, als die Vorschriften zuließen, reichten schon aus; für Tonys Repertoire fand er keine Verwendung. Deshalb mußte Tony ihn wenigstens zweimal die Woche unmerklich, aber entschieden zurückhalten. Frank neigte zu Wutanfällen, wenn etwas schieflief, während man Tony fast nie aus der Ruhe bringen konnte. Frank war einen Meter siebzig groß, blond, untersetzt und wirkte so massiv wie ein Blockhaus. Tony maß einen Meter vierundachtzig, war schlank, beinahe schlaksig, dunkel und wirkte dabei sehr robust. Frank hatte blaue Augen, neigte zum Grübeln und zum Pessimismus. Tony war Optimist. Manchmal schienen sie so total gegensätzlich, daß die Partnerschaft zwischen ihnen wohl nie erfolgreich sein würde.
    Und doch ähnelten sie einander in mancherlei Hinsicht sehr. Keiner von ihnen war ein Acht-Stunden-Tag-Bulle. Sie arbeiteten häufig zwei, drei Stunden mehr ohne Überstundenentgelt, und keiner von den beiden beklagte sich deswegen. Stand ein Fall kurz vor dem Abschluß, schienen die Beweise sich also geradezu zu überschlagen, dann arbeiteten beide ganz selbstverständlich auch in ihrer Freizeit, wenn sie es für nötig hielten. Niemand verlangte oder befahl, daß sie Über-stunden machten. Es lag ganz und gar in ihrem eigenen Ermessen.
    Tony war bereit, mehr Zeit in seine Arbeit zu investieren, weil er Ehrgeiz besaß. Er hatte nicht vor, für den Rest seines Lebens im Rang eines Detektivlieutenants zu bleiben. Er wollte sich zum Captain hocharbeiten, vielleicht sogar weiter, ganz nach oben, bis ins Büro des Polizeichefs, wo Gehalt und Pension ein wesentlich besseres Leben garantierten. Er war in einer großen italienischen Familie aufgewachsen, in der Sparsamkeit nach dem Katholizismus die zweitwichtigste Rolle spielte, als Zusatzreligion galt. Sein Vater, Carlo, ein Einwanderer, arbeitete als Schneider.
    Der alte Mann hatte hart und lange dafür geschuftet, seinen Kindern ein Zuhause, Kleidung und ausreichend Essen zu beschaffen und war dabei häufig an den Rand des Ruins und der Verzweiflung geraten. Die Familie Clemenza kämpfte häufig mit Krankheiten; und die unerwarteten Rechnungen für Krankenhaus und Apotheke hatten einen beängstigend hohen Anteil des Verdienstes aufgefressen. Als Kind in einem Alter, in dem er die Zusammenhänge nicht verstand und die quälende Angst der Armut nicht kannte, hatte er sich Hunderte, ja Tausende von Vorträgen über finanzielle Verantwortungsbereitschaft anhören müssen. Carlo machte ihm beinahe täglich klar, daß harte Arbeit, eine geschickte Finanzverwaltung und Ehrgeiz die wichtigsten Voraussetzungen für einen sicheren Job seien. Sein Vater hätte für die CIA arbeiten sollen, in der Abteilung Gehirnwäsche. Die Ängste und Prinzipien seines Vaters waren ihm so total eingeimpft worden, daß er selbst heute, mit fünfunddreißig, einem beträchtlichen Bankkonto und einem sicheren Job, unruhig wurde, wenn er mehr als zwei oder drei Tage der Arbeit fernblieb. Urlaub bedeutete für ihn eher Qual als Vergnügen. Er machte jede Woche eine Menge Überstunden, weil er Carlo Clemenzas Sohn war und darum unfähig, anders zu handeln.
    Frank Howard trieben andere Gefühle dazu, soviel zu arbeiten. Er schien nicht besonders ehrgeizig oder besonders an Geld interessiert zu sein. Soweit Tony das beurteilen konnte, machte Frank deshalb Überstunden, weil er nur während seiner Arbeit richtig aufblühte. Auf die Rolle des Detektivs im Morddezernat, darauf verstand er sich. Jene Rolle vermittelte ihm das Gefühl, ein Ziel zu haben, etwas wert zu sein, gebraucht zu werden.
    Tony wandte seine Augen von

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