Flüstern in der Nacht
sagst«, erklärte sie, »wird er veranlassen, uns beide auf paranoide Schizophrenie hin zu untersuchen.«
»Wenn ich die Bullen nicht in Schwung bringen kann«, erwiderte Wally, »dann sehe ich mich eben nach einem guten Privatteam um.« »Privatdetektive?«
»Da kenne ich genau das richtige Büro. Die Leute sind Spitze. Wesentlich besser als die meisten Bullen. Die werden sich Frye schon vornehmen und all die kleinen Geheimnisse über ihn in Erfahrung bringen. Die liefern uns schon jene Beweise, die nötig sind, um die Ermittlungen wieder in Gang zu bringen.«
»Ist das nicht furchtbar teuer?« »Ich teil' mir die Kosten mit dir«, lachte er. »Kommt nicht in Frage.« »O doch.«
»Das ist sehr großzügig von dir, aber ...« »Das ist überhaupt nicht großzügig. Du bist eine äußerst wertvolle Klientin, Lämmchen. Ich habe einen Prozentanteil an dir, also ist jedes Honorar, das ich Privatdetektiven bezahle, so etwas wie eine Versicherungsprämie. Ich will nur meine Interessen schützen.«
»Das ist aufgelegter Blödsinn, und das weißt du genau«, meinte sie. »Du bist großzügig, Wally, doch im Augenblick solltest du noch niemanden beauftragen. Dieser andere Detektiv, von dem ich dir erzählt habe, Lieutenant Clemenza, hat behauptet, er würde heute nachmittag noch einmal hier vorbeischauen. Er glaubt mir irgendwie doch, schien aber etwas durcheinander, weil Laurenski meine Geschichte natürlich ins Wanken gebracht hat. Ich kann mir vorstellen, daß dieser Clemenza so ziemlich jeden Vorwand dazu benützen würde, den Fall noch einmal aufzurollen. Warten wir seinen Besuch ab. Ist die Lage danach noch immer unverändert, so können wir deinen Privatdetektiv beauftragen.« »Nun ... meinetwegen«, antwortete Wally widerstrebend. »Aber unterdessen werde ich denen sagen, sie sollen einen Mann zu dir schicken, der dich beschützt.« »Wally, ich brauch' keinen Leibwächter.« »Und ob du einen brauchst.« »Ich war die ganze Nacht über allein und in Sicherheit –«
»Hör zu, Kleines, ich schick' dir jetzt jemanden rüber. Das ist mein letztes Wort. Onkel Wally duldet keinen Widerspruch. Wenn du ihn nicht reinläßt, wird er sich wie eine Palastwache vor deine Haustür stellen.« »Wirklich, ich ...«
»Über kurz oder lang«, unterbrach Wally sie mit sanfter Stimme, »wirst du dich mit der Tatsache abfinden müssen, daß du nicht allein durchs Leben gondeln kannst, aus eigener Kraft. Niemand kann das. Niemand, Kleines. Hier und da muß jeder Hilfe annehmen. Du hättest mich gestern nacht anrufen sollen.«
»Ich wollte dich nicht stören.«
»Um Himmels willen, du störst mich nicht! Ich bin dein Freund. Tatsächlich hat es mich viel mehr gestört, daß du mich letzte Nacht nicht gestört hast. Kleines, es ist toll, stark und selbständig zu sein und auf eigenen Füßen zu stehen. Aber du treibst es zu weit, isolierst dich, und das ist für jeden, dem du etwas bedeutest, ein Schlag ins Gesicht. Wirst du also den Wächter einlassen, wenn er kommt?« Sie seufzte. »Okay.«
»Gut. Er wird in einer Stunde bei dir sein. Und du rufst mich an, sobald du mit Clemenza gesprochen hast.« »Das werde ich.« »Versprichst du mir das?« »Das verspreche ich.« »Hast du letzte Nacht geschlafen?« »Zu meiner eigenen Überraschung, ja.« »Wenn du nicht genügend Schlaf bekommen hast«, meinte er, »solltest du dich heute nachmittag ein wenig hinlegen.« Hilary lachte. »Du wärst die ideale Mutter.« »Vielleicht bring' ich dir heute abend einen großen Topf Hühnersuppe vorbei. Wiederseh'n, Liebes.« »Wiederseh'n, Wally. Vielen Dank für deinen Anruf.« Als sie den Hörer auflegte, sah sie die Kommode, die vor der Tür stand. Nach der ereignislosen Nacht wirkte die Barrikade recht unsinnig. Wally hatte recht: Das beste war, einen Leibwächter rund um die Uhr einzustellen und ein erstklassiges Team von Privatdetektiven auf Fryes Fährte zu setzen. Ihre ursprüngliche Absicht, das Problem in Angriff zu nehmen, erschien unsinnig. Sie konnte nicht einfach Bretter vor die Fenster nageln und mit Frye Belagerung des Alamo spielen. Sie stieg aus dem Bett, schlüpfte in ihren seidenen Morgenmantel und ging zur Kommode. Sie zog die Schubladen heraus und stellte sie beiseite. Nun ließ sich der hohe Schrank leicht bewegen; sie zerrte ihn von der Tür weg, zurück zu der Druckstelle im Teppich, an der das Möbelstück bis zur letzten Nacht stand. Sie schob die Schubladen wieder hinein. Dann ging sie zum Nachttisch zurück,
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