Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
hatte das Gefühl, sie strahle durch seine Augen und entfache auf der Oberfläche seines Gehirns winzige kleine Feuerbrände.
    Vornübergebeugt, fluchend, schlürfte er in südlicher Richtung den Bürgersteig hinunter, bis er seinen grauen Kombi erreicht hatte. Er stemmte sich mühsam auf den Fahrersitz, zog die Tür hinter sich zu in dem Gefühl, sie müsse zehntausend Pfund wiegen.
    Er fuhr einhändig zum Wilshire Boulevard, bog dann nach rechts zum Sepulveda, wieder nach links, suchte eine Telefonzelle, in der man ihn nicht ohne weiteres würde sehen können. Jede Unebenheit der Straße bedeutete einen Faustschlag in seinen Solarplexus. Manchmal schienen die Fahrzeuge rings um ihn herum sich zu strecken, zu biegen und auszudehnen, so, als würden sie aus irgendeinem elastischen Zaubermetall bestehen; er mußte seine ganze Konzentration aufwenden, sie in vertraute Formen zurückzuzwingen. Dabei sickerte die ganze Zeit das Blut aus ihm heraus, ganz gleich, wie fest er die Wunde auch zusammenpreßte. Das Brennen in seinem Leib verschlimmerte sich. Das rhythmische Zucken ging allmählich in scharfen Schmerz über. Aber der katastrophale Schmerz, der sich ganz sicher einstellen würde, war noch nicht gekommen.
    Er fuhr eine endlose Strecke auf dem Sepulveda Boulevard entlang, ehe er schließlich eine Telefonzelle ausmachte, die ihm geeignet erschien. Sie stand ganz hinten auf dem Parkplatz eines Supermarktes, achtzig oder hundert Meter vom Laden entfernt. Er parkte seinen Lieferwagen schräg davor, so daß die Telefonzelle sowohl für die Kunden des Supermarktes als auch vor den vorbeifahrenden Autos aus abgedeckt war. Es handelte sich um keine Zelle, nur um eine jener Verschalungen aus Plastik, die angeblich eine ausgezeichnete Schallisolierung lieferten, aber nichts gegen den Hintergrundlärm ausrichteten; zumindest schien der Apparat funktionstüchtig zu sein; und man konnte ihn nicht ohne weiteres sehen. Dahinter türmte sich ein hoher Zaun aus Betonziegeln auf, der das Areal des Supermarktes wiederum von einem Wohngebäude abgrenzte. Zur Rechten standen ein paar Büsche und zwei kleine Palmen und verdeckten die Sicht von der Nebenstraße des Sepulveda aus. Niemand würde also erkennen können, daß er verletzt war; er wollte auch nicht, daß jemand da herumschnüffelte.
    Er rutschte auf der Sitzbank zur Beifahrerseite hinüber und stieg auf der rechten Seite aus. Als er auf das dicke rote Zeug hinunterblickte, das durch seine Finger quoll, die die schlimmere der beiden Wunden zusammenpreßten, überkam ihm Benommenheit; er wandte den Blick schnell wieder ab. Es waren nur drei Schritte zum Telefon, aber jeder einzelne schien eine Meile weit zu sein.
    Er konnte sich nicht an die Nummer seiner Telefonkreditkarte erinnern, die ihm eben noch so vertraut wie sein Geburtstag war, deshalb meldete er ein R-Gespräch nach Napa Valley an.
    Es klingelte sechsmal. »Hallo?«
    »Ich habe hier ein R-Gespräch von Bruno Frye. Nehmen Sie das Gespräch an?«
    »Ja, schalten Sie durch, Vermittlung.« Ein leises Klicken ertönte, während die Frau aus der Leitung
    ging.
    »Ich bin schwer verletzt. Ich glaube, ... ich muß sterben«, sagte Frye dem Mann in Napa County.
    »O Gott, nein, nein!«
    »Ich muß ... einen Krankenwagen rufen«, japste Frye. »Und dann ... dann werden die ... dann werden alle die Wahrheit erfahren.«
    Sie redeten eine Minute lang, beide angstvoll und ziemlich konfus.
    Plötzlich spürte Frye, wie sich in ihm etwas lockerte. Wie eine Feder, die sich plötzlich löst. Wie ein Beutel mit Wasser, der aufplatzt. Er schrie schmerzerfüllt auf. Der Mann in Napa County schrie mit ihm, als würde auch er denselben Schmerz spüren.
    »Ich brauche ... einen Krankenwagen«, stöhnte Frye. Er legte auf.
    Das Blut war über seine Hosen bis hinunter zu den Schuhen gelaufen und tropfte jetzt auf den Asphalt. Er nahm den Hörer von der Gabel und legte ihn auf das kleine Blechregal neben dem eigentlichen Telefon, nahm ein Zehn-Cent-Stück von demselben Regal, auf das er das Kleingeld gelegt hatte, aber seine Finger wollten nicht mehr richtig funktionieren; er ließ die Münze fallen und blickte dümmlich zu Boden, während sie über den Asphalt rollte. Dann fand er ein weiteres Zehn-Cent-Stück, das er diesmal hielt, so fest er konnte. Er hob die Münze auf, als wäre sie eine Scheibe Blei, so groß wie ein Autoreifen, und schaffte es schließlich, sie in den richtigen Schlitz zu schieben. Er versuchte die Null zu wählen. Aber

Weitere Kostenlose Bücher