Flüstern in der Nacht
»Nicht nach meinen Büchern.« »Deine Bücher sind falsch.« »Einundzwanzig«, beharrte Michael.
»Dreiundzwanzig«, betonte Tony. »Und es müßte dreiundzwanzig und vierundzwanzig sein. Schließlich waren es zwei Gedecke.«
»Nein, nein«, sagte Michael. »Wir zählen nach Besuch, nicht nach Anzahl der Gedecke.«
Verblüfft fragte Hilary: »Stehe ich gerade im Begriff, den Verstand zu verlieren – oder ergibt dieses Gespräch wirklich einen Sinn?«
Michael schüttelte den Kopf und meinte dann zu Hilary gewandt: »Als er das Wandgemälde dort machte, wollte ich ihn bar bezahlen, aber er wollte mein Geld nicht nehmen. Er sagte, er würde dafür ein paar Gratismahlzeiten annehmen. Ich bestand auf hundert. Er meinte fünfundzwanzig. Wir haben uns schließlich auf fünfzig geeinigt. Er neigt dazu, seine Arbeit allzu niedrig zu bewerten, und das macht mich manchmal richtig böse.«
»Tony hat das gemalt?« fragte sie. »Hat er Ihnen das nicht erzählt?« »Nein.«
Sie sah Tony an, und der grinste wie ein Schaf. »Deshalb fährt er auch diesen Jeep«, ergänzte Michael. »Wenn er in die Berge hinauf will, um irgendwo nach der Natur zu malen, kommt er mit dem Jeep überall hin.« »Mir hat er erzählt, er liefe gern Ski.«
»Das stimmt auch. Aber hauptsächlich fährt er zum Malen in die Berge. Er sollte stolz sein auf seine Arbeit. Aber es ist leichter, einem Alligator die Zähne zu ziehen, als ihn dazu zu bringen, über seine Malerei zu reden.«
»Ich bin Amateur«, erklärte Tony. »Und nichts ist langweiliger als ein Dilettant, der sich über seine ›Kunst‹ ausläßt.« »Das ist nicht die Arbeit eines Dilettanten«, betonte Michael. »Ganz sicherlich nicht«, pflichtete Hilary ihm bei. »Ihr seid meine Freunde«, meinte Tony, »also ist es ganz natürlich, daß ihr mit eurem Lob großzügig umgeht. Keiner von euch beiden ist qualifizierter Kunstkritiker.« »Er hat zwei Preise gewonnen«, erklärte Michael Hilary. »Preise?« fragte sie Tony. »Nichts Wichtiges.«
»Er hat beide Male den ersten Preis der Ausstellung gewonnen«, meinte Michael.
»Was waren das für Ausstellungen?« fragte Hilary. »Keine großen«, sagte Tony.
»Er träumt heimlich davon, sich seinen Lebensunterhalt als Maler zu verdienen«, erzählte Michael, »aber er tut nichts dafür.«
»Weil es eben nur ein Traum ist«, erklärte Tony. »Ich müßte doch verrückt sein, wenn ich ernsthaft glaubte, ich könnte es als Maler zu etwas bringen.«
»Er hat es nie richtig versucht«, erklärte Michael Hilary. »Ein Maler bekommt nicht jede Woche seinen Gehaltsscheck«, erwiderte Tony. »Ist auch nicht krankenversichert. Und hat keine Altersversorgung.«
»Aber wenn du nur jeden Monat zwei Gemälde um die Hälfte ihres Wertes verkaufen würdest, könntest du schon mehr dafür bekommen, als du als Polizist verdienst«, fuhr Michael fort.
»Und wenn ich einen Monat oder zwei Monate lang oder gar sechs Monate lang nichts verkaufe«, meinte Tony, »wer würde dann die Miete bezahlen?«
Michael wandte sich Hilary zu und sagte: »Seine Wohnung ist mit Gemälden vollgestopft, eins über dem anderen, aufgestapelt. Er sitzt auf einem Vermögen, aber er unternimmt nichts.«
»Er übertreibt«, meinte Tony.
»Ah, ich gebe auf!« erklärt Michael. »Vielleicht können Sie ihm ein wenig zureden, Hilary.« Damit wandte er sich ab und sagte: »Einundzwanzig.« »Dreiundzwanzig«, widersprach Tony.
Später, als sie im Jeep saßen und er sie nach Hause fuhr, fragte Hilary: »Warum bringen Sie denn nicht ein paar Ihrer Arbeiten in Galerien, um festzustellen, ob die sich damit befassen wollen?«
»Das werden sie nicht.« »Fragen könnten Sie wenigstens.« »Hilary, ich bin wirklich nicht gut genug.« »Das Wandgemälde war aber wirklich ausgezeichnet.« »Zwischen einem Wandgemälde in einem Restaurant und echter Kunst ist ein himmelweiter Unterschied.« »Das Wandgemälde ist echte Kunst.«
»Ich muß noch einmal darauf hinweisen, daß Sie keine Expertin sind.«
»Ich kaufe Gemälde, weil sie mir Freude bereiten und als Investition.«
»Mit Hilfe eines Galeriedirektors, was die Investition betrifft?« fragte er.
»Das stimmt. Wyant Stevens in Beverly Hills.« »Dann ist er der Experte und nicht Sie.« »Warum zeigen Sie ihm nicht ein paar Ihrer Arbeiten?«
»Ich kann Ablehnung nicht ertragen.« »Ich wette, daß er Ihre Bilder nicht ablehnen wird.« »Können wir auch noch über etwas anderes reden als über meine Malerei?« »Warum?«
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