Flüstern in der Nacht
Doch vor lauter Schutz vor Pein brachte sie sich auch um das Vergnügen guter Beziehungen mit guten Leuten, die sie sicher nicht verrieten. Im Zusammenleben mit ihren trunksüchtigen, gewalttätigen Eltern mußte sie erfahren, daß auf Bekundungen von Zuneigung gewöhnlich Ausbrüche von Wut und Zorn und unerwartete Strafe folgten.
Sie fürchtete sich nie davor, bezüglich ihrer Arbeit oder geschäftlicher Dinge Risiken einzugehen; und jetzt war die Zeit gekommen, sich mit derselben Freimütigkeit in das Abenteuer ihres Privatlebens zu stürzen. Mit leichtem Hüftschwung ging sie auf den blauen Jeep zu, empfand aber eine innere Spannung bezüglich der emotionalen Risiken, die der Paarungstanz mit sich brachte; zugleich aber fühlte sie sich frisch, feminin und so glücklich wie schon lange nicht mehr. Tony eilte um den Wagen herum und öffnete ihr die Beifahrertür. Mit einer tiefen Verbeugung meinte er: »Die königliche Kutsche steht bereit.«
»Oh, da scheint ein Irrtum vorzuliegen. Ich bin keine Königin.«
»Für mich sehen Sie aber aus wie eine Königin.« »Ich bin nur ein einfaches Dienstmädchen.« »Sie sind viel hübscher als die Königin.« »Passen Sie nur auf, daß sie das nicht hört. Sonst kostet Sie das den Kopf.« »Zu spät.« »Oh?«
»Meinen Kopf hab' ich schon verloren.« Hilary stöhnte. »Zuviel Saccharin?« fragte er. »Auf das hin brauche ich ein Stück Zitrone.« »Aber es hat Ihnen doch gefallen.«
»Ja, das gebe ich zu. Ich falle wahrscheinlich immer auf Schmeicheleien herein«, meinte sie und stieg in einem Wirbel grüner Seide in den Jeep.
Auf dem Weg zum Westwood Boulevard fragte Tony: »Sie sind doch nicht etwa beleidigt?« »Warum?«
»Wegen dieser Kiste.«
»Wie könnte ein Jeep mich beleidigen? Kann er denn reden? Ist zu erwarten, daß er mich dumm anquatscht?« »Das ist kein Mercedes.«
»Ein Mercedes ist kein Rolls Royce. Und ein Rolls Royce ist kein Toyota.« »Das klingt nach Zen.«
»Wenn Sie mich für einen Snob halten, warum haben Sie mich dann überhaupt eingeladen?« »Ich halte Sie nicht für einen Snob«, meinte er. »Aber Frank hat behauptet, es könne zu Peinlichkeiten kommen, weil Sie mehr Geld haben als ich.«
»Nun, nach meiner Erfahrung mit Ihrem Partner würde ich sagen, daß man Franks Urteil in bezug auf andere Leute nicht unbedingt trauen darf.«
»Er hat seine Probleme«, pflichtete Tony ihr bei, während er links in den Wilshire Boulevard einbog. »Aber er ist gerade dabei, sie zu lösen.«
»Ich gebe zu, daß man diesen Wagen in L.A. nicht gerade oft zu sehen bekommt.«
»Frauen fragen mich gewöhnlich, ob das mein Zweitwagen sei.«
»Mir ist es ziemlich egal, ob er das ist.« »In L.A. heißt es, man ist das, was man fährt.« »Ah, ist das so? Dann sind Sie ein Jeep und ich bin ein Mercedes. Wir sind Autos, nicht Menschen. Dann sollten wir eigentlich in eine Werkstätte fahren, zum Ölwechsel, und nicht in ein Restaurant zum Abendessen. Wie sinnig!« »Überhaupt nicht«, erwiderte Tony. »Ich habe mir den Jeep gekauft, weil ich im Winter drei oder vier Wochenende Skilaufen gehe, und mit dieser Kiste komme ich ziemlich sicher immer über die Gebirgspässe, egal, wie schlecht das Wetter auch sein mag.«
»Ich wollte immer schon das Skifahren lernen.« »Ich bring' es Ihnen bei. Sie müssen noch ein paar Wochen warten. Aber lange dauert es nicht mehr, dann liegt in Mammoth Schnee.«
»Sie scheinen recht überzeugt davon zu sein, daß wir auch noch in ein paar Wochen Freunde sein werden.« »Warum sollten wir das nicht?« fragte er. »Vielleicht zanken wir uns gleich im Restaurant.« »Worüber denn?« »Politik.«
»Ich vertrete die Ansicht, alle Politiker sind machthungrige Schweinehunde, unfähig, sich selbst die Schnürsenkel zu binden.«
»Ich auch.« »Ich bin liberal.«
»Ich auch – irgendwie.« »Kurzes Streitgespräch.« »Vielleicht zanken wir uns über Religion.« »Ich bin katholisch erzogen worden. Aber davon ist nicht viel übriggeblieben. Mit Religion hab' ich nicht viel am Hut.« »Ich auch nicht.«
»Mit Streiten kommen wir anscheinend nicht weiter.« »Nun«, meinte sie, »vielleicht gehören wir zu den Leuten, die sich wegen Kleinigkeiten in die Wolle kriegen. Belanglosigkeiten.«
»Zum Beispiel?«
»Nun, da wir in ein italienisches Restaurant fahren – vielleicht mögen Sie Knoblauchbrot, und ich kann es nicht ausstehen.«
»Und darüber streiten wir dann?« »Über das oder über Fettucine oder Manicotti.«
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