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Flüstern in der Nacht

Flüstern in der Nacht

Titel: Flüstern in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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»Nein. Dort, wo wir hingehen, wird Ihnen alles schmecken«, erwiderte er. »Warten Sie's ab.«
    Er fuhr mit ihr zu Savatino's am Santa Monica Boulevard. Das war ein intimes Lokal, in dem höchstens sechzig Leute Platz fanden und das irgendwie den Eindruck vermittelte, als fände tatsächlich nur die Hälfte dieser Leute Platz; es war behaglich, bequem, die Art von Restaurant, in dem jeder den Sinn für Zeit verlieren und sechs Stunden mit dem Abendessen verbringen konnte, vorausgesetzt, daß einen die Kellner nicht bedrängten. Die Beleuchtung wirkte weich und warm. Die Opernmusik vom Band – hauptsächlich Gigli, Caruso und Pavarotti – hatte gerade die richtige Lautstärke, daß man sie hören und auch noch genießen konnte, sie aber keinesfalls das Gespräch behinderte. Die Dekoration war vielleicht eine Spur zu üppig, aber ein Hauptwerk, ein geradezu klassisches Wandgemälde, gefiel Hilary über alle Maßen. Das Gemälde bedeckte eine ganze Wand und stellte eine der bekanntesten Freuden des italienischen Lebensstils dar: Trauben, Wein, Pasta, dunkeläugige Frauen, gutaussehende, dunkelhaarige Männer, eine liebevolle rundliche Nonna, Leute, die zur Akkordeonmusik tanzten, ein Picknick unter Olivenbäumen und noch vieles mehr. Hilary hatte noch nie annähernd so etwas Hübsches gesehen, denn das Gemälde wirkte weder völlig realistisch noch stilisiert, weder abstrakt noch impressionistisch, schien eher ein eigenartiges Stiefkind des Surrealismus zu sein, eine kreative Synthese zwischen Andrew Wyeth und Salvador Dali. Michael Savatino, der Besitzer und ehemalige Polizist, war ausgelassen und vergnügt, umarmte Tony, nahm Hilarys Hand und küßte sie, versetzte Tony einen leichten Rippenstoß und empfahl ihm Pasta, damit er fetter würde, und bestand darauf, daß sie in der Küche die neue Cappuccinomaschine bewundern mußten. Nach der Küchenrunde tauchte Paula, Michaels Frau, eine Blondine von auffallender Schönheit, auf, und wieder gab es Umarmungen, Küßchen, Komplimente. Schließlich nahm Michael Hilary bei der Hand und führte sie und Tony zu einer Nische in der Ecke. Er befahl dem Kellner, zwei Flaschen Biondi-Santis Brunello di Montelcino zu bringen, wartete, bis der Wein kam, und entkorkte ihn selbst. Nachdem er die Gläser gefüllt und die Toasts ausgebracht hatte, verließ er die beiden und zwinkerte Tony zu – ein Zeichen, daß ihm Hilary gefiel. Hilary hatte das Zwinkern bemerkt, also lachte er und zwinkerte auch ihr zu. »Das ist ein netter Mann«, meinte sie, als Michael sich verdrückt hatte.
    »Das ist eine Type«, lachte Tony. »Sie mögen ihn sehr.«
    »Ich liebe ihn geradezu. Er war der perfekte Partner, bei unserer Tätigkeit in der Mordkommission.« Damit begann ein längeres Gespräch über Polizeiarbeit und anschließend über das Schreiben von Drehbüchern. Sie empfand es als sehr angenehm, sich mit ihm zu unterhalten, und bekam allmählich das Gefühl, als würde sie ihn schon jahrelang kennen; überhaupt keine Verlegenheit stand zwischen ihnen, wie sie gewöhnlich bei ersten Rendezvous auftrat. Irgendwann im Lauf des Gesprächs fiel ihm auf, daß sie das Wandgemälde eingehender betrachtete. »Gefällt Ihnen das Bild?« fragte er. »Es ist großartig.« »Wirklich?« »Finden Sie nicht?«
    »Es ist ganz gut«, meinte er.
    »Es ist besser als nur ›ganz gut‹. Wer hat es gemalt? Wissen Sie das?«
    »Irgendein verarmter Künstler«, antwortete Tony. »Der hat es für fünfzig Gratisessen gemalt.«
    »Nur fünfzig? Dann hat Michael es aber billig bekommen.« Sie redeten über Filme, Bücher, Musik und Theater. Das Essen war fast ebensogut wie ihre Unterhaltung. Die leichte Vorspeise bestand aus zwei winzigen Crepes, von denen der eine mit Ricotta-Käse, der andere mit einem würzigen Gemisch aus feingehacktem Rindfleisch, Zwiebeln, Pfeffer, Pilzen und Knoblauch gefüllt war. Ihre Salatportionen waren riesig, frisch und über und über mit rohen Pilzen bedeckt. Tony wählte das Hauptgericht, Vitello Savatino, eine Specialita des Hauses, unglaublich zartes weißes Kalbfleisch mit einer dünnen brauen Soße, Perlzwiebeln und gegrillten Zucchinistreifen. Der Cappuccino schmeckte ebenfalls ausgezeichnet. Nach Beendigung des Essens blickte Hilary auf die Uhr und stellte verblüfft fest, daß sie zehn Minuten nach elf zeigte. Michael Savatino kam an ihren Tisch, um ihr Lob entgegenzunehmen, und meinte dann zu Tony gewandt: »Das ist Nummer einundzwanzig.« »Oh, nein, dreiundzwanzig.«

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