Flüstern in der Nacht
»Weil es mich langweilt.« »Sie sind schwierig.« »Und gelangweilt«, wiederholte er. »Worüber sollen wir reden?«
»Nun, warum reden wir nicht darüber, ob Sie mich jetzt auf einen Brandy einladen oder nicht?« »Möchten Sie gerne auf einen Brandy hereinkommen?« »Cognac?«
»Ja, das verstehe ich üblicherweise darunter.« »Welche Marke?« »Remy Martin.«
»Der beste.« Er grinste. »Aber, ich weiß nicht ... oje ... es ist schon recht spät geworden.«
»Wenn Sie nicht mitkommen«, sagte sie, »dann muß ich ihn eben allein trinken.« Das alberne Geplänkel machte ihr Spaß.
»Ich kann nicht zulassen, daß Sie allein trinken«, entgegnete er. »Ist das ein Zeichen für Alkoholismus?« »Ganz sicher ist es das.«
»Wenn Sie nicht auf einen Brandy mit hereinkommen, dann bringen Sie mich auf die schiefe Bahn einer Trinkerin und am Ende zum völligen Niedergang.« »Das würde ich mir nie verzeihen.«
Eine Viertelstunde später saßen sie nebeneinander auf der Couch vor dem Kamin, blickten in die Flammen und genossen in kleinen Schlucken Remy Martin. Hilary war leicht schwindlig, nicht vom Cognac, sondern von seiner Nähe – und davon, daß sie sich fragte, ob sie miteinander ins Bett gehen würden. Sie hatte noch nie mit einem Mann gleich bei der ersten Verabredung geschlafen. Gewöhnlich war sie vorsichtig und vermied es, sich ernsthaft auf eine Affäre einzulassen. In ein paar Wochen oder manchmal sogar Monaten konnte man sich ein besseres Bild von einem Mann machen. Mehr als einmal hatte sie für ihre Entscheidung so lange gebraucht und dabei Männer verloren, die wunderbare Liebhaber und dauerhafte Freunde hätten werden können. Aber schon nach einem Abend mit Tony Clemenza fühlte sie sich völlig entspannt und in seiner Gesellschaft absolut sicher. Ein verdammt attraktiver Mann, groß, dunkel, männlich, gutaussehend. Die innere Autorität und die Selbstsicherheit eines Polizisten – und doch sanft, wirklich überraschend sanft und empfindsam. So viel Zeit war verstrichen, seit sie zugelassen hatte, daß jemand sie berührte und besaß. Wie hatte sie das nur so lange aushalten können? Sie konnte sich vorstellen, in seinen Armen zu liegen, nackt unter ihm und dann über ihm. Und während diese Bilder ihr Bewußtsein erfüllten, wurde ihr klar, daß er wahrscheinlich dasselbe dachte. Dann klingelte das Telefon. »Verdammt!« sagte sie.
»Jemand, von dem Sie nichts hören wollen?« Sie drehte sich um und schaute das Telefon an, das auf dem Schreibtisch stand und klingelte und klingelte. »Hilary?«
»Ich wette, er ist es wieder«, entgegnete sie. »Wer?«
»Ich bekomme die ganze Zeit solche Anrufe ...« Das schrille Klingeln wollte nicht aufhören. »Was für Anrufe?« fragte Tony.
»Die letzten paar Tage hat immer wieder jemand angerufen und dann aber nichts gesagt, wenn ich mich meldete. Das ist jetzt schon sechs- oder achtmal passiert.« »Er sagt überhaupt nichts?«
»Er lauscht nur«, erzählte sie. »Ich denke, es ist irgendein Verrückter, den diese Geschichte in den Zeitungen mit Frye aufgeputscht hat.«
Das hartnäckige Klingeln des Telefons ließ sie mit den Zähnen knirschen.
Jetzt stand sie auf und ging zögernd auf das Telefon zu. Tony kam mit. »Ihre Nummer steht im Telefonbuch?« »Nächste Woche bekomme ich eine neue. Sie wird nicht mehr eingetragen.«
Sie standen jetzt vor dem Schreibtisch und schauten beide das Telefon an. Es klingelte unaufhörlich. »Das ist er«, sagte sie. »Wer sonst würde es so lange klingeln lassen?«
Tony riß den Hörer von der Gabel. »Hallo?« Der Anrufer meldete sich nicht. »Hier bei Thomas«, sagte Tony forsch. »Detective Clemenza am Apparat.« Klick!
Tony hängte ein und meinte: »Er hat aufgelegt. Vielleicht habe ich ihm genügend Angst eingejagt.« »Hoffentlich.«
»Trotzdem wäre es eine gute Idee, eine Geheimnummer zu beantragen.«
»Oh, das überlege ich mir bestimmt nicht mehr anders.« »Ich werde gleich Montag früh bei der Telefongesellschaft anrufen und denen erklären, daß die Polizei von Los Angeles es sehr schätzen würde, wenn sich das alles schnell erledigen ließe.«
»Können Sie das?« »Na klar.«
»Danke, Tony.« Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper. Sie fror.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte er sie. »Solche Leute sind gewöhnlich schon zufrieden, wenn sie nur anrufen können. Diese Typen sind üblicherweise nicht gewalttätig.« » Üblicherweise?« »Fast nie.«
Sie lächelte. »Das
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