Fluesterndes Gold
stattfindet. Megan flüstert abfällige Bemerkungen, während die Spanischlehrerin Mrs. Provost mich der Klasse vorstellt und einen Platz für mich aussucht. Das Mädchen neben Megan kichert hinter vorgehaltener Hand und schaut mich an. Großartig.
Das Letzte, was ich mitkriege, sind Mrs. Provosts Worte: »Zara, was für ein ungewöhnlicher Name.«
Sie betrachtet meine löchrigen Jeans mit den Friedensabzeichen, dann nehmen ihre Augen einen anderen Ausdruck an und sie sagt: »Schön, dass du da bist. Also, Leute, dann fangen wir an. Ab jetzt nur noch spanisch.«
Ich starre aus dem Fenster, schweife mit den Gedanken ab und wünsche mir mehr als alles andere, dass ich zu Hause bei meinem Dad bin, dass er lebt und dass meine Mutter glücklich ist und dass wir zusammen mit Mozzarella überbackene Auberginen essen und alles wieder normal ist. Aber es wird nie wieder normal sein.
Draußen beugt sich eine Birke unter der Last des Schnees. Wenn der Schnee schmilzt, wird sie sich wieder zu ihrer normalen, hohen Gestalt aufrichten.
Könnte mir das auch gelingen?
Die Antwort ist ein dickes, fettes Nein.
Megan Crowley dreht sich auf ihrem Stuhl komplett um und glotzt mich an. Etwas Böses leuchtet in ihren Augen auf, und einen Augenblick lang habe ich das Gefühl, dass sie gar nicht wirklich existiert, dass sie kein Mensch ist. Sie hebt einen perfekt manikürten Fingernagel gegen mich und formt mit den Lippen: »Ich bleib dir auf den Fersen.«
¿Qué? No entiendo.
»Was?«, frage ich tonlos zurück.
Sie wiederholt ihre Worte: »Ich bleib dir auf den Fersen.«
Mrs. Provost fährt zwischen uns. »Mädels, ich bin ja so froh, dass Zara hier Anschluss findet, aber jetzt ist nicht die Pflege der Sozialkontakte angesagt, sondern Spanischunterricht. Zara? Wie wär’s, wenn du uns ein bisschen was über Charleston erzählen würdest?«
»Ähm …« Ich schaue mich hilfesuchend um. Aber da ist nur ein Haufen bleicher Gesichter, die mich anstarren. Meine Güte, warum sind die in Maine nur alle so weiß? »Ähm. Charleston ist wirklich sehr schön, und es ist warm dort. Es gibt dort viele Villen aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg …«
»Auf Spanisch, por favor«, unterbricht Mrs. Provost. Sie zieht ihren BH-Träger über die Schulter.
Soll ich wirklich auf Spanisch etwas von Villen aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg erzählen?
Ich hasse diesen Ort. Megan lacht hinter vorgehaltener Hand und dreht sich wieder nach vorn. Ich fröstle. Es ist so kalt hier.
»Charleston es caliente y hermosa«, fange ich noch einmal an. »A mi me gust allí.«
Ein dünnes Mädchen mit wilder brauner Mähne winkt mir zu, als ich die Klasse verlasse. Das orangefarbene Hello-Kitty-T-Shirt rutscht ihr von der Schulter. Ihre Nase zuckt wie die eines Kaninchens, und sie hüpft auf und ab, damit ich zu ihr hinsehe.
»Hallo.« Sie winkt noch einmal, mit großen Bewegungen, so wie man winkt, wenn man auf einer Straße, auf der sehr viel los ist, ein Taxi ruft. Aber wir sind hier im Gang einer Schule nicht auf einer Straße, und es ist auch nicht annähernd so viel los.
»Hi.«
Ich stecke mein ach so tolles, brandneues Spanischbuch in meinen Rucksack und verschließe ihn. Nebenbei stelle ich fest, dass ein Druckknopf fehlt.
»Dein Rucksack ist cool. Hast du ihn in einem Militärladen gekauft?« Sie hüpft beim Sprechen auf den Zehen herum, als ob sie viel zu viel Energie für ihren Körper hätte und irgendwas damit anstellen müsste.
»Jep.«
»In Bangor?«
»Nein, Charleston.«
Sie lächelt super breit. »Bist du Zara White?«
Ich trete einen Schritt zurück und werfe meinen Rucksack über eine Schulter. »Warum wissen das alle?«
»Die Stadt ist klein.« Sie lächelt entschuldigend. »Neuigkeiten sprechen sich schnell rum. Wir freuen uns total, wenn jemand Neues kommt. Ich bin Issie.«
»Dann hast du gewusst, dass ich meine Tasche nicht in Bangor gekauft habe.«
»Sozusagen.« Sie beißt die Zähne zusammen und strahlt. Dann reißt sie passend dazu die Augen auf und platzt heraus: »Aber ich liebe Bangor, deshalb hab ich gehofft. Deine Tasche finde ich nämlich auch ganz toll. Ach, was laber ich da. Ich kann es nicht leiden, wenn ich labere. Devyn findet es süß, aber ich weiß, dass es das nicht ist. Es ist absolut nervig. Und du heißt wirklich Zara?«
Ich versuche, meine Nerven zu beruhigen und freundlich zu sein. Ich lächle sie an. »Ich heiße wirklich Zara.«
»Wie Sara, aber mit Z. Das ist viel cooler.« Sie wackelt mit
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