Fluesterndes Gold
lachen.
»Wegen dir ist sie rot geworden«, sagt Issie. »Du brauchst nicht rot zu werden, Zara. Er macht nur Spaß.«
Coach Walsh pfeift, und wir starten. Viele Mädchen joggen nur, aber Megan Crowley sprintet los und ich stürze hinterher. Es ärgert mich, wie hübsch und lang ihre Beine aussehen, wenn sie mit perfekten Bewegungen rennt und ihre Füße flach und schnell über den Boden bewegt. Bemerkt Nick eigentlich, wie perfekt sie ist? Warum kümmert mich das überhaupt? Megan wendet den Kopf und feuert ein Lächeln auf mich ab. Es ist kein freundliches Lächeln. Was ist mit diesem Mädchen los? Was ist mit mir los?
»Los, überhol sie«, schnaubt Issie. Sie ist vollkommen aus den Fugen geraten. Sie schlingert und hat überhaupt keine Körperspannung, sodass ihre Arme um ihren Körper schlackern. »Warte nicht auf mich.«
»Aber …«
»Ich bin kein Langstreckenläufer, eher ein Sprinter.« Sie lächelt entschuldigend. »Eigentlich eher ein Geher.«
Wir haben noch nicht einmal eine Viertelmeile hinter uns, und Issies Gesicht ist schon ganz rot.
»Los. Überhol sie.«
Sie lächelt und winkt mir zu.
Dann fügt sie hinzu: »Du weißt, dass du es willst.«
Ich erhöhe mein Tempo und schließe problemlos zu Megan auf. Ich feure meine Version des bösen, superunfreundlichen Megan-Lächelns auf sie ab und ziehe an der Viertelmeilen-Marke an ihr vorbei.
Ich muss es jetzt einfach sagen: Nichts fühlt sich besser an, als schnell zu rennen. Nichts ist besser als das Gefühl, wenn deine Beine zum Sprinten ausgreifen und du weißt, dass deine Lungen und dein Herz das noch unterstützen können.
Meine Laufschuhe stampfen über die rote Bahn, und ich schließe zu den führenden Jungen auf.
Der Sportlehrer legt eine wirklich krasse Hip-Hop-Musik auf, die meinen Lauf fast abbricht, denn es dürfte nichts Merkwürdigeres in der Welt geben, als im nördlichen Maine schwarzen Hip-Hop zu hören. Maine ist der weißeste Staat der Nation. Ehrenwort.
Am Tag als mein Dad gestorben ist, waren wir in Charleston laufen. Mein Atem strömt stoßweise aus meinem Mund, und ich komme aus meinem Atemrhythmus. Scheiße.
»Denk nicht daran. Renn schneller«, murmle ich zu mir selbst. Was ist los mit mir? Laufen macht mich sonst nie nervös. Ich überrunde die joggenden Mädchen. Sie singen »Whassup. Whassup with you …«.
Ich überrunde die süße Issie. Ihre Arme schlackern immer noch wild um ihren Körper, und sie winkt mir zu, bevor sie schreit: »Vorsicht, sie holt auf.«
Ich renne schneller und erreiche den langsamsten der führenden Jungen. Ich blinzle und renne an ihm vorbei. Er riecht nach Zwiebeln und hat große nasse Flecken in den Achseln seines Shirts. Er beschleunigt sein Tempo, kann aber nur eine Zehntel Meile mit mir mithalten und fällt dann zurück. Dann kommt Nick.
Ich schließe zu ihm auf. Er ist eine Art Laufgott, denn er ist nicht einmal annähernd außer Atem. Seine langen Schritte sind kraftvoll und schnell.
»Hi.«
Warum ich das sage, weiß ich nicht. Er ist süß. Gut. Ich habe eine Schwäche für süße Jungs, und er war wirklich nett zu Issie. Außerdem hat er schöne Haare und ist nicht so blass wie die meisten männlichen Bewohner Maines. Er sieht aus, als würde er in der Sonne arbeiten oder hätte die Sonne zumindest mal gesehen, wenn auch nur vor vielen Wochen. Außerdem sollte es im Leben um Liebe gehen, nicht um Krieg. Mein Dad hat John Lennon gehört. Ich kenne mich da aus.
»Du bist schnell«, sagt er ganz locker. Kein Schnauben. Kein Pusten. Kein Hecheln.
»Du aber auch.«
Wir rennen nebeneinander her und halten miteinander Schritt. Vor uns ist nur noch Ian, der wie nichts seine Bahnen zieht.
Nick zuckt beim Rennen mit den Schultern, was wirklich beachtlich ist, denn wenn ich volle Geschwindigkeit renne, kann ich kaum sprechen, ganz zu schweigen davon, meinen Rhythmus zu unterbrechen, um mit den Schultern zu zucken.
»Du kannst noch schneller, oder?«, stoße ich hervor.
Er lächelt mich wieder verhalten an, aber dann werden seine Augen so kalt wie Grabsteine, in die nur die knappsten Informationen über ein Leben eingeritzt sind.
»Zara«, sagt er flüsternd.
Ich beuge mich näher zu ihm hinüber, um ihn besser hören zu können. »Was?«
Meine Stimme ist kein Flüstern. Sie passt zu meinem dröhnenden Herzschlag und dem Bass der Musik, die aus den Lautsprechern plärrt.
»Hammerleistung, Neue!«, brüllt Devyn und klatscht in die Hände.
Nick fixiert mich mit seinem Blick:
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