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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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aus Glas, die sie sammelt: »Ja.«
    Gleich nach dem Abendessen klingelt mein Handy, das gerade am Ladekabel hängt, und ich stürze zur Theke in der Küche, obwohl es wahrscheinlich nur meine Mutter ist. Doch das Display kündigt eine Nummer aus Maine an.
    Ich klappe das Handy auf. »Hallo?«
    »Hallo, Zara, ich bin’s, Ian.« Seine Stimme klingt total fröhlich.
    »Hi, Ian.« Ich lehne mich gegen die Theke. Betty quellen fast die Augen aus dem Kopf, als ob sie vollkommen aus dem Häuschen darüber ist, dass mich ein Junge anruft. Ich weigere mich, sie anzusehen.
    »Hallöchen. Tut mir leid, dass ich dich störe. Hoffentlich esst ihr nicht gerade.«
    »Nö, wir sind schon fertig.«
    »Gut. Ich hab gerade darüber nachgedacht, wie schwer es für dich sein muss, so ganz neu in einer Stadt zu sein und so …«
    Ich wippe mit dem Hintern gegen die Theke, weil es mir schwerfällt, still zu stehen.
    »Ist gar nicht so schlimm«, lüge ich.
    »Na ja, vielleicht könnte ich dir trotzdem morgen nach dem GeländelaufTraining ein bisschen was zeigen? Die große Tour durch das aufregende Bedford in Maine.«
    »Oh. Morgen?«
    Betty wird munter. Sie eilt geschäftig hin und her und deckt den Tisch ab.
    »Sag ja«, flüstert sie.
    »Ich muss morgen mein Auto anmelden«, sage ich, und das muss ich ja wirklich.
    »Ach so«, sagt Ian.
    »Tut mir leid.«
    Betty dreht mit einer energischen Bewegung das heiße Wasser auf und stöhnt.
    »Ich könnte dich begleiten«, schlägt Ian vor.
    »Zur Anmeldebehörde?« Ich bin perplex.
    »Ja, klar. Es ist sterbenslangweilig dort, aber zu zweit kann man’s aushalten.«
    »Logo. Gut.« Ich weiß nicht, was ich sagen soll. »Wenn es dir nichts ausmacht.«
    Wir legen auf, und Betty fragt mich, wer dran gewesen sei.
    »Ein Typ, den ich in der Schule kennengelernt habe. Ian. Er will mit mir zusammen zur Anmeldebehörde gehen.«
    Sie reicht mir einen Teller zum Abtrocknen. »Tja, das ist wahre Liebe.«
    Ich schnaube.
    »Der Läufer Ian, oder? Der Aufbauspieler der Basketballmannschaft?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass er läuft und dass er in x Clubs und Vereinen ist.«
    »Klassischer Überflieger. Er stammt aus einer alteingesessenen Bedforder Familie. Sein Vater ist im Hummergeschäft. Sein Großvater war im Holzgeschäft. Sie besitzen kaum was, ihr Haus ist eine bessere Hütte. Es ist erstaunlich, was dieser Junge schon alles geleistet hat.«
    Während ich den Teller abtrockne, denke ich über Ian, seine verschiedenen Clubs und seine ganze Energie nach.
    »Und offenbar hat er auch noch einen guten Geschmack, weil er gleich ein Auge auf dich geworfen hat.« Sie zeigt mit einer Gabel auf mich.
    Ich stelle den Teller beiseite und schnappe mir die Gabel. »Er ist nur hilfsbereit.«
    »Ha, ha. Genau.«
    Mitten in der Nacht wache ich auf. Von unten höre ich, wie jemand leise über den Fußboden tapst. Ich greife nach der großen, metallenen Taschenlampe, die neben dem Bett steht, und schlüpfe unter der Decke hervor. Aber ich knipse die Taschenlampe nicht an, sondern packe sie verkehrt herum, damit ich sie notfalls jemandem über den Schädel ziehen kann. Auf Zehenspitzen schleiche ich die Treppe hinunter, und dann sehe ich Betty am vorderen Fenster stehen.
    Alle Muskeln in ihrem Körper sind angespannt, sodass sie stark und wild aussieht. Sie kommt mir eher vor wie eine olympische Athletin als wie eine Großmutter.
    »Betty?«, flüstere ich vorsichtig ihren Namen, damit ich sie nicht erschrecke.
    Sie winkt mich zu sich. Ich stelle mich neben sie und spähe in die Dunkelheit hinaus.
    »Nach was hältst du Ausschau?«, flüstere ich.
    »Nach den Dingen der Nacht.«
    »Siehst du was?«
    Sie lacht. »Nein.«
    Sie zieht mich an sich und küsst mich auf den Kopf. »Du gehst jetzt wieder ins Bett. Ich hab hier alles unter Kontrolle.«
    Ich entferne mich einen Schritt und bleibe dann stehen. »Gram? Hältst du wirklich nach den Dingen der Nacht Ausschau?«
    »Die Menschen spähen immer in die Dunkelheit, Zara. Wir haben Angst vor dem, was wir vielleicht sehen könnten. Es könnte das Dunkel draußen sein, aber es könnte auch das Dunkel unserer eigenen Seelen sein, doch ich denke, es ist besser, beim Schauen erwischt zu werden, als es nie zu wissen. Verstehst du, worauf ich rauswill?«
    »Nicht ganz.«
    Sie tritt vom Fenster weg und schiebt mich Richtung Treppe. »Geh ins Bett. Morgen ist Schule. Okay?«
    »Okay.«
    Gouplogagophobie
    Die Angst, das fünfte Rad am Wagen zu sein
    In dieser Nacht träume

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