Fluesterndes Gold
Issie.
In meinem Innern kommt alles für einen Augenblick zum Stillstand. »Echt? Komm, woher willst du das wissen?«
»Er hat es Devyn erzählt, und Devyn hat’s mir erzählt«, sagt Issie. »Das passt also nicht. Gut. Weiter. Wie wär’s mit Lokalheld mit hohen Ansprüchen?«
»Lokalheld?«, frage ich und zerre an dem Knoten. »Nick?«
Devyn zuckt die Achseln. »Ich denke schon. Er hat mich gerettet.«
Ich ziehe die Augenbrauen hoch und will gerade fragen, wie, da schleicht Megan sich heran, sehr sexy in knappen Shorts und Tank-Top mit Spaghettiträgern. Das verstößt zwar gegen die Kleiderordnung der Schule, aber Megan stört das natürlich nicht. Und unseren Sportlehrer Walsh offensichtlich auch nicht.
Etwas in meiner Kehle verengt sich, seit Megan über mir steht und mir die Sicht auf Nick versperrt.
Sie lächelt.
Ich traue diesem Lächeln nicht.
Issie hustet und verschränkt ihre Finger ineinander. Ich schiebe einen Fingernagel in den Knoten in Issies Schnürsenkel und lockere ihn, als ob ich alle Zeit der Welt hätte. Dann schaue ich auf und begegne Megans Blick. Der Ausdruck ihrer Augen passt nicht zu ihrem Lächeln. Sie ist offenbar nicht so eine gute Schauspielerin, dass sie auch ihrem Blick im Griff hat.
»Zara?« Sie dreht eine lange, rotblonde Strähne um ihren perfekten Finger. »Du kommst aus Charleston, nicht wahr?«
Ich nicke und warte, was kommt.
»Es fällt dir bestimmt schwer, dich in Bedford einzuleben«, sagt sie.
Ich schaue zu Devyn hinüber, der mir einen mitleidigen Blick schenkt.
»Es ist okay.«
»Manche Menschen leben sich nie ein, weißt du?«, sagt sie.
»Das ist nicht wahr«, sagt Issie. »Danke, dass du den Knoten rausgemacht hast, Zara.«
Megan funkelt sie böse an. »Ist es doch. Manche Leute können sich nicht einfügen.«
Ich mache mich daran, die Schleife zu binden. Eine Schlaufe. Die zweite Schlaufe. Und fertig.
»Warum sollte ich mich einfügen wollen?« Ich kreuze die Arme vor der Brust.
Megan tritt näher heran und beugt sich ein bisschen nach vorn, sodass ihr Gesicht dichter an meinem ist. Sie hat ihre Wimpern mit weißer Mascara geschminkt, was ihre blauen Augen ein wenig unheimlich aussehen lässt. Das ist kein guter Look für sie. »Ganz offensichtlich willst du das nicht, sonst würdest du nicht dauernd mit diesen komischen Typen hier rumhängen. Rollstuhlboy und Hypergirl.«
Sie will weggehen, aber ich strecke die Hand aus und packe sie am Arm. Er ist eiskalt. »Was hast du gesagt?«
Sie antwortet nicht. Meine Fingernägel hinterlassen halbmondförmige Abdrücke auf ihrer Haut, aber ich lockere meinen Griff nicht. »Drohe meinen Freunden nicht«, sage ich. »Und beleidige sie nicht.«
Während sie ihren Arm meinem Griff entwindet, zwingt sie meinen Blick nieder. Dann wirft sie ihre Haare über die Schultern und sagt herablassend: »Ach, kleine Prinzessin, vor mir brauchst du dich nicht fürchten.«
Sie springt die Tribüne hinauf und setzt sich zu ihren Leuten. Sie alle lachen das Lachen der beliebten Mädchen. Ich ignoriere sie. Megan schreit zu mir herunter: »Weißt du, dass der ganze Love-and-Peace-Mist seit Jahrzehnten out ist? Und John Lennon ist tot.«
»Du zitterst ja«, sagt Devyn. »Es ist alles in Ordnung, Zara. Setz dich hin.«
Ich schaue auf mein T-Shirt hinunter. In meinem Innern scheint etwas auseinanderzubrechen, und ich keuche wohl, denn Issie nimmt meine Hand und zieht an ihr. Ich habe keine Ahnung, wie ich mich hinsetzen soll. Warum sollte ich mich hinsetzen wollen, während sie mich anstarrt? Ich möchte rennen, einfach nur, um von ihr wegzukommen. Wohin kann ich rennen? Ich suche nach Fluchtwegen. Mein Atem geht stoßweise, und mein Herz schlägt achthundert Mal in der Minute, ungelogen.
»Zara …«, wiederholt Devyn. »Es ist alles in Ordnung.«
»Ich habe sie festgehalten«, stoße ich hervor. »Ich halte andere nicht fest. Niemals.«
Issie macht den Mund auf. Sie sieht ein bisschen erschrocken aus, aber dann schlendert Coach Walsh zusammen mit Ian in die Sporthalle. Ian läuft voraus und stellt sich zu mir.
»Ich bin dein Partner bei den Sit-ups«, sagt er. »Halte deine Beine fest.«
Ich nicke. »Klar. Gut. Aber … Megan wird das nicht so entspannt sehen.«
»Na und?« Er sieht mich durchdringend an. Um seine Augen bildet sich ein Kranz kleiner Fältchen.
»Was, na und. Ihr seid doch Freunde. Ich will nicht, dass sie wütend auf dich ist.«
»Megan ist nicht meine Aufpasserin, Zara.«
Ich mustere ihn,
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