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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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sodass sie nicht mehr rational denken können oder erfrieren vielleicht ihre Neuronen?«
    Ich höre auf zu reden, weil sogar ich selbst höre, wie meine Stimme diesen hysterischen Ton bekommt. Meine Hände greifen ins Leere, nur Luft. Ich suche Worte oder etwas, an dem ich mich festhalten kann.
    Er schüttelt den Kopf und seine Haare fliegen durch die Luft wie die eines Hundes. »Du bist nicht verrückt.«
    »Ich fühle mich aber so.«
    »Warum?«
    »Es ist nur … Ich weiß nicht, was los ist. Frag mich nach der politischen Situation in Darfur, und ich erzähl dir alles darüber. Du willst wissen, wie viele Menschen in den Vereinigten Staaten in Todeszellen sitzen? Auch das weiß ich. Aber warum es in einem Provinznest in Maine Elfen gibt, das kapier ich nicht, überhaupt nicht.«
    »Ich eigentlich auch nicht.«
    Ich seufze, berühre mit der Hand meine Wange und reibe mir dann die Augen. Ich bin so müde. Der Fußboden schwankt ein bisschen. Ich schlurfe mühsam ins Wohnzimmer und lasse mich auf die Couch fallen. Er kommt sofort an meine Seite, legt mir die Hand auf die Schulter und mustert mich. Er hat sich so schnell bewegt, dass ich es kaum wahrgenommen habe.
    »Ich bin ein bisschen duselig«, sage ich. »Deshalb verhalte ich mich wie … wie …«
    »Duselig?«
    »Ich weiß, das ist ein komisches Wort. Meine Mom sagt das immer. Meine Mom hat mich auch hierher geschickt, weißt du. Sie hat dieses Wort benutzt. Duselig.«
    Er zieht eine Wolldecke von der Rückenlehne der Couch. »Fehlt sie dir?«
    »Ja. Bevor mein Dad starb, hatte sie ganz schön viel Mumm. Ich hätte auch gern viel Mumm. Magst du lieber Mädchen mit Mumm oder Mädchen ohne Mumm? Ich hab mich das schon immer gefragt. Nicht was dich persönlich betrifft, sondern eher Jungs allgemein. Hab ich Mumm?«
    »Ja, du hast Mumm.«
    »Ja, klar. Vom Gefühl her habe ich eher das Gegenteil.«
    »Und was ist das? Un-Mumm?« Er wickelt mich in die Decke und setzt sich neben mich. Direkt neben mich. Ohne darüber nachzudenken, rutsche ich noch dichter zu ihm hin.
    »Ich hasse das«, sagt er, »wenn man nicht kapiert, was los ist.«
    »Weil du dir dann hilflos vorkommst?«, frage ich.
    Er berührt den Faden an meinem Finger. »Ja.«
    »Wir kriegen es raus.« Ich atme seinen Kiefernduft ein. Wie Weihnachtsbäume.
    »Das sollten wir auch.«
    »Ich hatte Angst«, sage ich und denke an die Stimme.
    »Das hast du schon mal gesagt.« Er legt den Arm um mich, direkt über die Schulter, genau wie Blake Willey es bei unserem ersten Date in der siebten Klasse getan hat, als wir im Kino zusammen einen der Shrek-Filme gesehen haben.
    Ich lasse es zu, dass sein Arm dort liegt, und beiße mir auf die Zunge, damit ich nicht gleich wieder losplappere. Und ich denke nicht daran, was Ian denken würde. Ian, der mit mir ausgehen möchte. Ian, der trotz seiner komischen Freundschaft zu Megan immer nett ist, ganz anders als Nick.
    Nick.
    Nick hat dicke dunkle Haare.
    Nick hat große kastanienbraune Augen.
    Nick hat hübsche weiße Zähne.
    Nick hat eine breite Brust mit einer Läuferlunge, sodass er pusten und pusten kann, bis mein Haus zusammenfällt – wie der Wolf in der Geschichte mit den drei Schweinchen. Aber das ist mir egal. Ich lehne mich an ihn. Er ist so kuschelig warm, aber ich fröstle trotzdem, wenn ich nur an den Wald denke. Meine Augen wollen einfach nicht offen bleiben, aber ich will wirklich, dass sie offen bleiben, denn Nick ist so süß, wenn er mich nicht rumkommandiert.
    »Danke, dass du mich geholt hast«, versuche ich zu sagen. Meine Lippen sind so müde, dass ich sie nicht bewegen möchte.
    »Immer, Zara. Wirklich. Es ist mir ernst damit.« Er scheint an meinen Haaren zu riechen.
    »Ich weiß, dass du mich nicht leiden kannst und so, aber wir sollten Freunde sein«, sage ich zu ihm und schließe die Augen.
    »Ich kann dich schon leiden«, sagt er. »Darum geht’s gar nicht.«
    »Um was dann? Leidest du an Parthenophobie?«
    »Parthenophobie?«
    »Angst vor Mädchen.«
    »Du bist wirklich seltsam.« Er rückt zurück, noch dichter zu mir heran, und hat dieses gemeine Funkeln in den Augen, als müsse er sich sehr beherrschen, um nicht prustend loszulachen. Seine Hand drückt an die eine Seite meines Kopfes. Noch nie hat mich jemand so berührt, so zärtlich und so romantisch, aber zugleich so kraftvoll. »Ich habe keine Angst vor Mädchen.«
    »Warum hast du dann noch keines geküsst?«
    Eine Sekunde lang blitzen seine Augen auf. »Vielleicht ist mir die

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