Fluesterndes Gold
folgen.
»Okay.«
»Dann schneidest du das Fell um die Wunde herum ab. Rasieren wäre noch besser, aber das ist jetzt vielleicht doch zu viel. Dann gibst du ein bisschen Neosporin darauf und legst einen Verband an. Okay?«
»Okay.«
»Gut gemacht, Zara. Ich bin auf dem Weg. Die Polizei ist vielleicht vor mir da.«
»Gut.« Ich schlucke schwer. Wenn sie nur heimkommen und mir helfen könnte. Wenn ich nur nicht ganz alleine wäre. »Danke. Meinst du, dass mit Nick alles in Ordnung ist?«
»Mach dir keine Sorgen um ihn, Zara. Er hat mehr drauf, als du denkst. Und die Polizei wird bald da sein.«
»Danke, Gram«, sage ich und drücke auf die Wunde des Hundes.
»Gern geschehen, Liebes. Gut gemacht! Ich mag es, wenn du Gram zu mir sagst.«
Sie legt auf, und auf einmal ist die Welt viel zu ruhig. Mehr drauf, als ich denke? Hatte sie das tatsächlich gesagt?
Ich beuge mich hinunter und küsse den Hund auf die Wange. »Denkst du, sie meint, was ich denke?«
Er stöhnt.
»Sieht so aus, als wären nur noch ich und du hier, Junge«, sage ich zu ihm. »Aber du schläfst dich jetzt gesund, ja? Meinst du, du magst Kartoffelbrei?«
Der Hund antwortet nicht. Natürlich nicht. Ich kuschle mich an ihn.
Der Hund und ich sind allein. Aber, was zählt, ist, dass ich ihn gerettet habe. Natürlich mit Grandma Bettys Hilfe. Aber ich habe ihn gerettet. Ich.
Teratophobie
Die Angst vor Monstern oder entstellten Menschen
Ich tue, was ich kann für den Hund: Reinige seine Wunde und hebe seinen schweren Körper immer stückchenweise an, damit ich ihn in eine Decke wickeln kann, verbinde ihn und streichle seinen Kopf, während er im Schlaf leise stöhnt,
»Armes kleines Hundchen«, sage ich, obwohl er ganz offensichtlich nicht klein ist. Vielleicht ist er nicht einmal ein Hund. »Glaubst du, dass mit Nick alles in Ordnung ist?«
Der Hund atmet im Schlaf tief aus. Ich fröstle, denn bei der Tür zieht es. Dann nehme ich den Kopf der Hundes vorsichtig von meinem Schoß herunter und bette ihn auf ein weiches Kissen, das ich von der Couch gezogen habe. Er ist so groß.
»Bis du ein Werwolf?«, flüstere ich, beschämt, dass ich überhaupt frage.
Er öffnet ein Auge und sieht mich an.
»Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.« Ich beuge mich hinunter und küsse ihn auf die Schnauze. »Geht’s dir gut?«
Ich kontrolliere den Verband und ziehe die Decke ein bisschen zurück.
»Ich glaube, die Wunde blutet nicht mehr. Das ist gut. Ich schau mich mal draußen um. Bin gleich wieder da. Ich mach mir echt Sorgen um diesen Nick. Aber du brauchst nicht eifersüchtig zu werden. Um dich mach ich mir auch echt Sorgen.«
Der Hund versucht, den Kopf zu heben, aber er ist wohl zu müde und zu erschöpft von seiner Verletzung. »Du ruhst dich aus, Süßer.«
Er ist so süß mit seinem zotteligen Fell und den breiten Hundeschultern und den Hängebacken. Vielleicht kann er ja bei uns bleiben. Bettys Haus wäre bei Weitem nicht mehr so einsam, wenn es einen Hund dort gäbe. Sollten eigentlich nicht alle Haushalte in Maine einen Hund haben? So will es, glaube ich, das große Buch der Vorurteile über Maine, wo Hunde gleich nach ausrangierten Pick-ups im Vorgarten kommen und einer Veranda auf der Vorderseite des Hauses mit Betonsäulen und Hummerfallen.
Ich ziehe auf einer Seite des Mauls die Lefzen hoch und schaue mir seine Zähne an. Sie sind sauber, weiß und riesengroß. Der Hund öffnet ein Auge und schaut mich vorwurfsvoll an.
Ich lasse die Lefze los. »’tschuldigung. Das war sehr indiskret, ich weiß.«
Er wedelt mit dem Schwanz, aber nur ein Mal.
»Danke, dass du mich nach Hause gelotst hast«, sage ich und wünsche mir, er könnte mich verstehen.
Er wedelt wieder mit dem Schwanz.
»Ich bin gleich wieder da.«
Ich stehe jetzt wirklich auf und überprüfe, ob die Eingangstür auch abgeschlossen ist, falls ein Serienkiller vorbeikommen möchte. Dann spähe ich aus dem Fenster. Der Schnee bedeckt alles, absolut alles. Nicks Auto steht immer noch da. Die Reifen sind schon ganz im Schnee verborgen. Ich schlucke und nehme das Telefonbuch. Dann gehe ich auf Zehenspitzen an dem jetzt schnarchenden Hund vorbei in die Küche. Seine Wangen zittern, wenn er ausatmet.
»Es wird alles gut.«
Im Telefonbuch finde ich Nicks Nummer unter »Anna und Mark Colt« und wähle sie. Niemand hebt ab.
Ich rufe wieder bei Gram an, komme aber nicht durch, sondern erreiche nur ihre Mailbox. Dann wähle ich die Nummer der Rettungsstation, und Josie von
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