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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Jones
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der Leitstelle sagt mir, Gram sei auf dem Heimweg.
    »Gut«, sage ich und denke daran, höflich zu sein. »Viel los heute Abend?«
    »Kann man so sagen«, sagt sie gehetzt, während im Hintergrund ein anderes Telefon klingelt.
    »Eine Spur von Jay?«, frage ich.
    »Dem Dahlberg-Jungen?« Josie seufzt. »Nö. Du rührst dich nicht von der Stelle, Zara. Die Polizei ist noch draußen auf Deer Isle, aber sie sind auf dem Weg zu dir, und Betty ebenfalls.«
    »Können sie sich beeilen?«
    »Sie beeilen sich, Liebes. Aber die Straßen sind zu bei diesem Wetter.«
    »Okay.«
    »Kopf hoch, Mädel. Mach dir keine Sorgen. Nick Colt ist ein findiger Bursche. Den muss man sich warmhalten, diesen Jungen. Bist du noch dran?«
    Ich beiße mir auf die Lippen.
    »Bist du noch dran?«, fragt sie noch einmal.
    »Ja.«
    »Mist. Da kommt ein Anruf rein. Du rührst dich nicht von der Stelle, Zara.«
    Was soll ich sonst tun? »Ja.«
    Ich fühle mich nutzlos und lege seufzend auf. Dann starre ich auf den schmutzigen weißen Faden, den ich mir um den Finger gewickelt habe. Mein Dad würde sagen, ich solle mich beruhigen, meine überbordende Fantasie mache mal wieder aus einer Mücke einen Elefanten, oder er würde einen anderen albernen Daddy-Spruch loslassen.
    Ich vermisse alberne Daddy-Sprüche.
    »Alles wird gut«, verkünde ich der Küche. Eine gewaltige Windbö trifft heulend das Haus. Die Lichter flackern, verlöschen ungefähr drei Sekunden lang und gehen dann wieder an.
    Die grüne Digitalanzeige der Mikrowelle springt auf blinkende 00:00 Uhr, was gut zur Dunkelheit draußen passt. Ein Zweig kratzt am Fenster. Ich fahre herum und beiße die Zähne zusammen.
    Genau.
    Ich werde wohl wieder hinausgehen und nach Nick suchen, doch diesmal werde ich vorbereitet sein.
    Aufgepasst, ihr potenziellen Psycho-Freaks, die clevere Zara ist bereit.
    Ich reiße die Tür zum Keller auf, um mir dort ein paar alte Stiefel von Grandma Betty und eine dicke Winterjacke zu holen, vielleicht auch ein paar Scheite Holz, falls der Strom ganz ausfällt und ich Feuer machen muss. In meiner Hektik stoße ich mir den Zeh an einer der tausend Eisenbahnschwellen, die Betty dort aufbewahrt. Dann fahre ich mit den Füßen in den einen und in den zweiten Stiefel und stülpe mir einen Hut über. Ich stampfe die ausgebleichten Stufen wieder hinauf. Die Stiefel machen, dass ich mich schwer und groß anhöre. Ich beiße mir auf die Lippen und ziehe die Jacke auf links an. Deshalb muss ich auch nach innen in die Jacke fassen, um den Reißverschluss zu schließen. Der Faden um meinen Finger bleibt am Reißverschluss hängen, und so lockert sich der Ring ein bisschen. Er franst langsam aus.
    »Ich sollte mir wegen eines Fadens keine Sorgen machen«, verkünde ich dem Haus.
    Das Haus knarzt im Wind, was wahrscheinlich heißt, dass es mir zustimmt.
    Ich nehme drei Scheite Holz und balanciere sie gegen die Brust gedrückt auf einem Arm. Holzfasern bleiben an der Jacke hängen. Mit der anderen Hand greife ich mir die Taschenlampe genau in dem Augenblick, in dem die Lichter wieder flackern und ausgehen.
    Bei meinem Glück wäre es keineswegs erstaunlich, wenn die Batterien nicht funktionierten, aber die Lampe leuchtet in einem kräftigen Strahl auf.
    »Danke, Betty«, flüstere ich.
    Grandma Betty ist eben eine Frau, die auf alles vorbereitet ist und immer frische Batterien in ihrer Taschenlampe hat.
    Ich stampfe die restlichen Stufen hinauf und lasse das Holz auf die Küchentheke fallen. Es riecht nach Kartoffelbrei und noch nach etwas anderem, nach Wald und Wildnis.
    Panik kriecht über meine Haut wie krabbelnde Spinnen. Mit klopfendem Herzen und voller Angst, was ich vielleicht entdecken würde, schwenke ich die Taschenlampe durch die Küche. Die Digitalanzeige der Mikrowelle leuchtet nicht mehr. Sie ist dunkel, still und tot.
    Ich gehe ein paar Schritte zurück, ziehe die Besteckschublade heraus und nehme mir das größte Messer, das ich finden kann, das, mit dem man das große Gemüse schneidet. Es hat eine lange, scharfe, silberne Klinge und einen schweren schwarzen Griff.
    Aus dem Wohnzimmer kommt ein Geräusch. Meine Finger schließen sich fester um den Messergriff. Vielleicht ist es nur der Hund.
    Vielleicht auch nicht.
    Ich gleite mit den Füßen über den Holzboden und versuche möglichst wenig Lärm zu machen, was in Grams Stiefeln gar nicht so leichtfällt. Eine Hand umfasst das Messer, bereit zuzustechen. Die andere Hand hält die Taschenlampe, die lang und schwer

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