Flug 2039
Gefrierschrank lagern. Das sind so die Haushaltstricks, die man dort lernt. Kerzen mit ungekochten Spaghetti anzünden. Seit sechzehn Jahren putze ich jetzt schon in Privathäusern, aber noch kein Mensch hat je von mir verlangt, dass ich mit brennenden Spaghetti in der Hand herumlaufen soll.
Egal, was sie einem in Hauswirtschaftslehre einreden wollen – in der Welt da draußen will man davon nichts wissen.
Zum Beispiel erklärt einem niemand, dass man gerötete Haut, die von Schlägen herrührt, mit grüner Feuchtigkeitskreme unversehrt erscheinen lassen kann. Und jeder Gentleman, der schon mal von einer Lady mit dicken Ringen an den Fingern geohrfeigt wurde, sollte wissen, dass in solchen Fällen ein blutstillender Stift gute Wirkung zeigt. Man schließe die Platzwunde mit einem Tropfen Sekundenkleber, und schon kann man sich etwa bei einer Filmpremiere problemlos fotografieren lassen: lächelnd, ohne Nähte, ohne Narbe.
Um Blut wegzuwischen, sollte man immer einen roten Waschlappen dabei haben; da gibt es dann keine Flecken, die man zum Entfernen erst noch einweichen muss.
Unterdessen teile ich meinen Arbeitgebern weiter mit, was sie heute Abend beim Essen zu erwarten haben.
Ganz wichtig ist: Niemals in Panik geraten. Ja, man wird Hummer servieren, und den werden sie bewältigen müssen.
Auf dem Tisch wird nur ein einziges Salzfässchen stehen. Und nach dem Braten gibt es Wildgeflügel, und zwar Jungtauben. Also Vögel. Und wenn irgendetwas noch komplizierter zu essen ist als Hummer, dann kleine Vögel. Die unzähligen winzigen Knochen, die man zerlegen muss, während alle Teilnehmer zum Sezieren entsprechend herausgeputzt sind. Nach dem Aperitif wird ein anderer Wein gereicht, Sherry zur Suppe, Weißwein zum Hummer, Roter zum Braten, ein anderer Roter zum fettigen Kampf mit dem Taubenküken. Bis dahin werden die Gäste das ganze weiße Tischtuch mit Dressing und Sauce und Wein voll gekleckert haben.
So geht es mir alle Tage. Selbst bei einem guten Job will niemand von mir wissen, wo der männliche Ehrengast zu platzieren ist.
Das gepflegte Diner, von dem einem in Hauswirtschaftslehre erzählt wird, die Pause mit frischen Blumen und Mokka nach einem harmonisch und elegant verbrachten Tag – tja, für so was interessiert sich keine Sau.
Heute Abend, irgendwann zwischen der Suppe und dem Braten, werden alle am Tisch einen großen toten Hummer zu zerstückeln haben. Vierunddreißig Industriekapitäne, vierunddreißig erfolgreiche Ungeheuer, vierunddreißig gefeierte Wilde mit schwarzer Krawatte werden so tun, als wüssten sie sich beim Essen zu benehmen.
Und nach dem Hummer reichen die Diener Fingerschalen mit heißem Wasser, in dem Zitronenscheiben schwimmen, und diese vierunddreißig verpfuschten Obduktionen enden mit Knoblauch und Butter bis zum Ellbogen jedes Ärmels, und alle heben, nachdem sie lange genug das Fleisch aus einer Öffnung im Thorax gelutscht haben, die fettbeschmierten Gesichter und blicken dabei lächelnd auf.
Nach sechzehn Jahren täglicher Arbeit in Privathäusern kenne ich mich bestens aus mit geohrfeigten Gesichtern, Maispüree, blauen Augen, ausgerenkten Schultern, Rührei, getretenen Schienbeinen, zerkratzter Hornhaut, gehackten Zwiebeln, Bisswunden aller Art, Nikotinflecken, Gleitkremes, ausgeschlagenen Zähnen, geplatzten Lippen, Schlagsahne, verdrehten Armen, eingerissenen Vaginen, gekochtem Schinken, Brandwunden von Zigaretten, zerstoßener Ananas, Leistenbrüchen, Abtreibungen, Pissflecken von Haustieren, Kokosraspeln, eingedrückten Augen, Verstauchungen und Schwangerschaftsstreifen.
Den Damen, für die ich arbeite, empfehle ich – wenn sie mal wieder stundenlang geheult haben – blauen oder malvenfarbenen Eyeliner, der ihre blutunterlaufenen Augen heller erscheinen lässt. Und wenn das nächste Mal jemand ihrem Mann einen Zahn ausschlägt, soll sie den Zahn in einem Glas Milch aufbewahren, bis er einen Zahnarzt aufsuchen kann. In der Zwischenzeit soll sie Zinkoxid und Nelkenöl zu einem weißen Brei verrühren. Dann die leere Zahnhöhle spülen und mit dem Brei zuspachteln: ein schnelle und unkomplizierte Füllung, die im Handumdrehen aushärtet.
Tränenflecken auf Kopfkissen behandle man genau so wie Schweißflecken. Fünf Aspirin in Wasser auflösen und damit den Fleck bestreichen, bis er verschwunden ist. Das Problem etwaiger Mascaraflecken ist damit ebenfalls gelöst.
Falls man von »gelöst« sprechen kann.
Ganz gleich, ob man Flecken oder einen Fisch oder ein
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