Flug 2039
Haus putzt, man bildet sich dabei gern ein, die Welt besser zu machen, tatsächlich aber lässt man alles nur noch schlimmer werden. Man denkt vielleicht, man braucht nur härter und schneller zu arbeiten, um das Chaos fern zu halten, aber dann wechselt man eines Tages auf der Veranda eine Glühbirne mit fünfjähriger Lebensdauer aus und erkennt plötzlich, dass man diese Birne höchstens noch zehnmal auswechseln wird, und dann ist man tot.
Die Zeit läuft davon. Der alte Schwung ist dahin. Man wird langsamer.
Man wird nachgiebiger.
Seit neuestem wachsen mir Haare auf dem Rücken, und meine Nase wird immer größer. Mein Gesicht morgens im Spiegel wird immer mehr zu einer Visage.
Die Arbeit in diesen reichen Häusern hat mich gelehrt, dass man das Blut aus dem Kofferraum eines Autos am besten entfernt, indem man keine Fragen stellt.
Der Lautsprecher sagt: »Hallo?«
Seinen Job behält man am besten, indem man einfach tut, was die Leute wollen.
Der Lautsprecher sagt: »Hallo?«
Um Lippenstift von einem Kragen zu entfernen, reibe man ihn mit ein wenig weißem Essig ein.
Hartnäckige Flecken auf Eiweißbasis, Sperma zum Beispiel, sollte man zunächst mit kaltem Salzwasser ausspülen und erst dann wie üblich waschen.
Das sind nützliche Tipps. Ihr könnt euch ruhig Notizen machen.
Auch die winzigsten Splitter eines aufgestemmten Schlafzimmerfensters oder eines zerschmetterten Cocktailglases kann man mit einem Stück Brot aus dem Teppich tupfen.
Unterbrecht mich, wenn ihr das alles schon wisst.
Der Lautsprecher sagt: »Hallo?«
Alles schon erlebt. Alles schon getan.
In Hauswirtschaftslehre bringen sie einem auch bei, wie man korrekt auf die Einladung zu einer Hochzeit reagiert. Wie man den Papst anspricht. Wie man Silberbesteck mit einem Monogramm versieht. In der Credistenschule wird gelehrt, dass die Welt ein perfektes, elegantes kleines Bühnenstück mit vollendeten Manieren sein kann, bei dem man selbst der Regisseur ist. Die Lehrer zeichnen ein Bild von Dinnerpartys, auf denen alle Gäste bereits wissen, wie man einen Hummer isst.
Aber so ist es nicht.
Es bleibt einem nichts übrig, als sich in den kleinen Details des Alltags zu verlieren und immer wieder dieselben Dinge zu tun.
Der Kamin muss gereinigt werden.
Der Rasen muss gemäht werden.
Im Weinkeller müssen die Flaschen gedreht werden.
Der Rasen muss schon wieder gemäht werden.
Das Silber muss poliert werden.
Wiederholen.
Und doch, nur ein einziges Mal möchte ich beweisen, dass mehr in mir steckt. Ich kann mehr als bloß Dinge vertuschen. Die Welt kann viel besser sein als die, mit der wir uns zufrieden geben. Man braucht nur zu fragen.
Nein, wirklich, nur zu. Fragt mich.
Wie isst man eine Artischocke?
Wie isst man Spargel?
Fragt mich.
Wie isst man einen Hummer?
Die Hummer im Topf scheinen ausreichend tot zu sein, also nehme ich einen heraus. Ich wende mich ans Freisprechtelefon: Als Erstes drehen Sie die beiden großen Vorderscheren ab.
Die anderen Hummer lege ich in den Kühlschrank, damit meine Arbeitgeber später daran üben können, sie auseinander zu nehmen. Ins Telefon sage ich: Machen Sie sich Notizen.
Biegen Sie den Hummer nach hinten, bis der Schwanz vom Körper abbricht. Brechen Sie die Schwanzspitze ab, also das letzte Segment, und heben Sie mit der Hummergabel das Schwanzfleisch heraus. Entfernen Sie den Darm, der den gesamten Schwanz durchzieht. Ist der Darm leer, hat der Hummer schon seit einiger Zeit nichts mehr gefressen. Ein dicker dunkler Darm ist noch mit frischem Kot gefüllt.
Ich esse das Schwanzfleisch.
Die Hummergabel, spreche ich mit vollem Mund ins Telefon, die Hummergabel ist die kleine Gabel mit den drei Zinken.
Als Nächstes entfernen Sie den Rückenpanzer und verzehren dann die grüne Verdauungsdrüse, auch Hummerleber genannt. Essen Sie das kupferhaltige, zu einer klebrigen weißen Masse geronnene Blut. Essen Sie den unreifen, korallenroten Rogen.
Ich esse das alles.
Hummer haben ein »offenes« Kreislaufsystem, das Blut schwappt sozusagen nur zwischen den Körperhöhlen hin und her und bespült die verschiedenen Organe.
Die Lunge ist schwammig und zäh, aber Sie können sie essen, sage ich ins Telefon und lecke mir die Finger. Der Magen, ein fester Beutel unmittelbar hinter dem Kopf, ist mit Zähnen bestückt und sollte nicht gegessen werden.
Ich wühle in dem Hummer herum. Ich sauge das Fleisch aus den Beinen. Ich beiße die Kiemen ab. Ich übergehe die Ganglien des Gehirns.
Ich halte
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