Flug 2039
Hause schmuggeln.
Wie man einen Hummer kocht, ist kein Geheimnis. Als Erstes füllt man einen Kessel mit kaltem Wasser und tut eine Prise Salz rein. Man kann auch Wasser und Wermut oder Wodka zu gleichen Teilen nehmen. Wer es gern kräftiger hat, kann dem Wasser auch etwas Seetang beifügen. Das lernt man schon in der Schule, in Hauswirtschaftslehre.
Fast alles andere, was ich sonst noch weiß, habe ich aus dem Chaos gelernt, das diese Leute verbreiten.
Fragt mich doch mal, wie man Blutflecken aus einem Pelzmantel entfernt.
Nein, wirklich, fragt nur.
Fragt mich.
Das Geheimnis ist Maismehl, und dann muss man den Pelz gegen den Strich ausbürsten. Das Komplizierte daran ist nur, dass man den Mund fest zuhalten muss.
Um Blut von Klaviertasten zu entfernen, muss man sie mit Talkumpuder oder Milchpulver abreiben.
Solche Kenntnisse braucht man bei der Arbeit zwar nur selten, aber um Blutflecken von einer Tapete zu entfernen, muss man einen Brei aus Maisstärke und Wasser auftragen. Das wirkt auch, wenn es Blut von Matratzen oder Sofas zu entfernen gilt. Man darf nur nicht lange darüber nachgrübeln, wie schnell so etwas geschehen kann. Selbstmorde. Unfälle. Verbrechen aus Leidenschaft.
Ihr müsst euch nur auf den Fleck konzentrieren, bis eure Erinnerung vollständig ausgelöscht ist. Übung macht wirklich den Meister. Falls man das so nennen kann.
Schiebt den Gedanken beiseite, dass euer einziges richtiges Talent darin besteht, die Wahrheit zu verbergen. Gott hat euch die Gabe verliehen, schreckliche Sünden zu begehen. Das ist eure Berufung. Ihr habt ein natürliches Talent zum Leugnen. Was ein wahrer Segen ist.
Falls man das so nennen kann.
Seit sechzehn Jahren arbeite ich jetzt als Putzmann; trotzdem möchte ich immer noch daran glauben, dass die Welt besser wird, obwohl ich natürlich weiß, dass das nicht stimmt. Man möchte, dass die Menschen sich bessern, aber das tun sie nicht. Aber man möchte sich einbilden, dass man etwas dazu beitragen kann.
Tag für Tag säubere ich dieses Haus, aber besser wird dadurch nur eines, nämlich mein Geschick, alles, was nicht in Ordnung ist, unter den Teppich zu kehren.
Gott behüte, dass ich die Leute, für die ich arbeite, jemals von Angesicht zu Angesicht kennen lerne.
Kommt bitte nicht auf die Idee, dass ich meine Arbeitgeber nicht mag. Die Sozialarbeiterin hat mir schon viel schlimmere Stellen besorgt. Ich hasse diese Leute nicht. Ich liebe sie zwar nicht, aber ich hasse sie auch nicht. Ich habe schon für viel schlimmere gearbeitet.
Fragt mich doch mal, wie man Urinflecken aus Vorhängen und Tischdecken bekommt.
Fragt mich, wie man Einschusslöcher in einer Wand am schnellsten zum Verschwinden bringt. Die Antwort ist Zahnpasta. Bei größeren Kalibern nimmt man eine Mischung aus Stärke und Salz zu gleichen Teilen.
Nennt mich die Stimme der Erfahrung.
Fünf Hummer sollten eigentlich reichen, um die knifflige Technik zu erlernen, wie man den Rücken aufbekommt. Den Rückenschild, so heißt das wohl. Im Innern befindet sich das Hirn oder das Herz, das es zu finden gilt. Der Trick besteht darin, die Hummer ins Wasser zu legen und dann erst den Herd anzustellen. Alles ganz langsam, das ist das Geheimnis. Das Wasser sollte erst nach einer halben Stunde zum Kochen kommen. Auf die Weise sterben die Hummer einen schmerzlosen Tod. Sagt man.
Der Terminkalender hält mich auf Trab. Ich muss noch den Kupferkessel auf Hochglanz bringen, wozu ich dann eine in Salz getauchte Zitronenhälfte nehme.
Die Hummer, mit denen wir üben müssen, heißen Jumbos und wiegen etwa drei Pfund das Stück. Hummer, die weniger als ein Pfund wiegen, heißen Chicken. Hummer, denen eine Schere fehlt, nennt man einscherig. Die in feuchten Seetang gewickelten Hummer, die ich aus dem Kühlschrank nehme, müssen etwa eine halbe Stunde lang kochen. Auch so was lernt man schon in Hauswirtschaftslehre.
Die größere der beiden Vorderscheren, die mit etwas Ähnlichem wie Backenzähnen besetzt ist, heißt Knackschere. Die kleinere, mit Schneidezähnen besetzte, heißt Schneidschere. Hinter den Scheren befinden sich die Beine. An der Unterseite des Schwanzes sind fünf Reihen kleiner Flossen, die man Schwimmfüße nennt. Auch das lernt man in Hauswirtschaftslehre. Wenn die Vorderreihe der Schwimmfüße weich und fedrig ist, handelt es sich bei dem Hummer um ein Weibchen. Bei einem Männchen ist die Vorderreihe hart und rau.
Bei einem Weibchen suche man nach dem Corail, einer knöchernen
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