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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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In Fertilitys Traum landet der Schraubenkopf, plopp, auf dem Teppich neben einem alten Mann und seinem Koffer. Er hebt den Schraubenkopf auf, dreht ihn auf der Handfläche hin und her und betrachtet eingehend den Rost und den glänzenden Stahl im Innern der Bruchstelle.
    Eine Frau, die ihren Koffer auf Rädern hinter sich herzieht, bleibt neben dem Mann stehen und fragt ihn, ob er in der Schlange wartet.
    Der alte Mann sagt: »Nein.«
    Die Frau sagt: »Danke.«
    Der Mann hinterm Empfangsschalter schlägt auf die Glocke und sagt: »Page!«
    Ein Page tritt vor.
    In diesem Augenblick stürzt der Kronleuchter ab.
    So exakt sind Fertilitys Träume, und in jedem weiteren Traum achtet sie auf andere Einzelheiten. Die Frau trägt ein rotes Kostüm, Jacke und Rock mit einem goldenen Kettengürtel von Christian Dior. Der alte Mann hat blaue Augen. An der Hand, die den Schraubenkopf hält, glänzt ein goldener Ehering. Der Page hat ein Piercing im Ohr, aber den Ohrring trägt er jetzt nicht.
    Hinter dem Empfangschef, sagt Fertility, steht eine komplizierte französische Barockuhr in einem verschnörkelten Glassturz mit vergoldeter Bleifassung; das Ziffernblatt wird von Muscheln und Delphinen getragen. Die Uhr zeigt vier Minuten nach drei.
    Das alles hat Fertility mir mit geschlossenen Augen erzählt. Ob sie sich wirklich daran erinnert oder das alles nur erfunden hat, konnte ich nicht beurteilen.
    Erster Brief an die Thessalonicher, Kapitel fünf, Vers zwanzig:
    »… die Weissagung verachtet nicht.«
    Der Kronleuchter wird in der Sekunde seines Falls ausgehen, und alle, die darunter stehen, werden den Blick nach oben wenden. Was danach geschieht, kann sie nicht sagen. An der Stelle wacht sie jedes Mal auf. Da enden die Träume immer, in dem Moment, in dem der Kronleuchter fällt oder das Flugzeug abstürzt. Oder der Zug entgleist. Der Blitz einschlägt. Die Erde bebt.
    Sie führt jetzt einen Kalender bevorstehender Ereignisse. Den zeigt sie mir. Ich zeige ihr den Terminkalender meiner Arbeitgeber. Für nächste Woche stehen bei ihr an: die Explosion in der Bäckerei, die Flucht der Kanarienvögel, der Tankstellenbrand, der Kronleuchter im Hotel. Fertility sagt, ich soll mir was aussuchen. Wir werden dann was zu essen mitnehmen und uns einen schönen Tag machen.
    Bei mir steht für die nächste Woche an: den Rasen mähen, zweimal. Das Kaminbesteck aus Messing polieren. Die Verfallsdaten aller im Gefrierschrank eingelagerten Lebensmittel überprüfen. Die Konservendosen im Vorratsraum umstellen. Meinen Arbeitgebern Geschenke zum Hochzeitstag besorgen, die sie sich gegenseitig überreichen wollen.
    Ich sage: Klar, ich mache alles mit.
    Das war kurz nachdem die Feuerwehrleute uns, Cha-Cha-Cha tanzend und völlig unversehrt, in der ausgebrannten Damenbekleidungsabteilung entdeckt hatten. Sie nahmen unsere Aussagen zu Protokoll, ließen uns Versicherungsformulare unterschreiben, die sie jeder Verantwortung entbanden, und begleiteten uns dann nach unten auf die Straße. Als wir wieder draußen sind, frage ich Fertility: Warum?
    Warum ruft sie vor so einer Katastrophe nicht irgendwo an und warnt die Leute davor?
    »Weil niemand schlechte Neuigkeiten hören will«, sagt sie schulterzuckend. »Wenn Trevor solche Träume hatte, hat er die Leute jedes Mal gewarnt, aber das hat ihm immer bloß Schwierigkeiten eingebracht.«
    Niemand habe an eine so unglaubliche Gabe glauben wollen, sagt sie. Man habe Trevor als Terroristen und Brandstifter verdächtigt und angezeigt.
    Als Pyromanen, wie es im Statistischen Manual psychischer Störungen heißt.
    In einem anderen Jahrhundert hätte man ihn der Zauberei beschuldigt.
    Also hat Trevor sich umgebracht.
    Mit etwas Unterstützung durch meine Wenigkeit.
    »Und deswegen sage ich den Leuten nichts mehr«, sagt Fertility. »Wenn ein Waisenhaus abbrennen würde, ja, dann würde ich vielleicht was sagen. Aber diese Leute haben meinen Bruder umgebracht. Wüsste nicht, warum ich denen irgendeinen Gefallen tun sollte.«
    Ich könnte also auch Menschenleben retten, indem ich Fertility jetzt die Wahrheit sagte, dass ich ihren Bruder getötet habe. Aber das tue ich nicht. Wir sitzen schweigend an der Bushaltestelle, bis ihr Bus um die Ecke biegt. Sie schreibt mir ihre Telefonnummer auf einen Kassenzettel, den sie vom Boden aufgehoben hat. Mit dem Zettel kann ich über dreihundert Dollar machen, wenn ich ihn in den Laden zurückbringe und meine Masche abziehe. Fertility sagt, ich soll mir eine Katastrophe

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