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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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aussuchen und sie dann anrufen. Und schon nimmt der Bus sie mit zur Arbeit, zum Abendessen, zum Träumen, was weiß ich.
    Meinem Terminkalender zufolge staube ich jetzt Fußleisten ab. Ich schneide die Hecken. Ich mähe den Rasen. Ich reinige die Autos. Eigentlich müsste ich jetzt bügeln, aber ich weiß, dass das die Sozialarbeiterin für mich erledigt.
    Dem Statistischen Manual psychischer Störungen zufolge müsste ich jetzt in einen Laden gehen und etwas stehlen. Irgendwelche aufgestauten sexuellen Energien abarbeiten.
    Fertility zufolge müsste ich jetzt ein Lunchpaket packen, das wir verzehren wollen, während wir dabei zusehen, wie irgendwelche Leute ums Leben kommen. Ich sehe uns beide auf einem samtenen Zweiersofa im Foyer des Hotels, Dienstagnachmittag, wir sitzen in der ersten Reihe und schlürfen Tee.
    Der Bibel zufolge müsste ich, ich weiß nicht was.
    Der credistischen Lehre zufolge müsste ich tot sein.
    Da mir nichts von all dem sonderlich zusagt, gehe ich einfach nur so in der Stadt herum. Vor der Bäckerei riecht es nach Brot; in fünf Tagen, sagt Fertility, wird es hier einen Knall geben. In der Tierhandlung flattern Hunderte von Kanarienvögeln in ihrem stinkenden, überfüllten Käfig hin und her. Nächste Woche werden sie alle frei sein. Und was dann? Bleibt in eurem Käfig, möchte ich ihnen sagen. Es gibt Besseres als Freiheit. Es gibt Schlimmeres, als ein langes langweiliges Leben im Haus irgendeines Fremden zu führen und nach dem Tod in den Kanarienhimmel einzugehen.
    An der Tankstelle, die nach Fertilitys Voraussage explodieren wird, arbeiten die Tankwarte an den Zapfsäulen; sie wirken recht zufrieden, jedenfalls nicht unzufrieden, sie sind jung, sie wissen nicht, dass sie, je nachdem, wer in welche Schicht eingeteilt wird, nächste Woche tot oder arbeitslos sind.
    Es wird ziemlich schnell dunkel.
    Vor dem Hotel: Hinter den großen Fenstern des Foyers lauert der Kronleuchter über potenziellen Opfern. Eine Frau mit einem Mops an der Leine. Eine Familie: Mutter, Vater, drei kleine Kinder. Die Uhr hinterm Empfang zeigt an, dass es noch lange währt bis nächsten Dienstag fünfzehn Uhr vier. Man könnte noch tagelang gefahrlos dort stehen, nur eine Sekunde darüber hinaus wäre nicht ratsam.
    Man könnte an den Portiers mit ihren goldenen Tressen vorbei hineingehen, um dem Geschäftsführer zu sagen, dass sein Kronleuchter abstürzen wird.
    Alle seine Lieben werden sterben.
    Auch er wird eines Tages sterben.
    Gott wird wiederkehren und Gericht über uns halten.
    Seine Sünden werden ihn in die Hölle jagen.
    Man kann den Menschen die Wahrheit sagen, aber sie glauben einem erst, wenn das Ereignis eingetreten ist. Wenn es zu spät ist. Bis dahin geht ihnen die Wahrheit bloß auf den Sack und bringt einem jede Menge Ärger ein.
    Also gehe ich einfach nach Hause.
    Ich muss das Abendessen vorbereiten. Ein Hemd für morgen bügeln. Schuhe putzen. Den Abwasch machen. Neue Rezepte ausprobieren.
    Für die so genannte Hochzeitssuppe braucht man sechs Pfund Knochenmark. Dieses Jahr sind innere Organe in. Meine Arbeitgeber essen ganz vorn mit. Niere. Leber. Aufgeblasene Schweineblasen. Den Zwischenmagen der Kuh, gefüllt mit Brunnenkresse und Fenchel à la Wiederkäuer. Sie wollen Tiere, die mit den unwahrscheinlichsten anderen Tieren gefüllt sind, Huhn gefüllt mit Kaninchen. Karpfen gefüllt mit Schinken. Gans gefüllt mit Lachs.
    Es gibt so vieles, was ich noch vervollkommnen muss.
    Wenn man ein Steak in Speck wickelt, umhüllt man es mit Fettstreifen von einem anderen Tier; auf die Weise wird es beim Garen geschützt. Ich bin gerade damit beschäftigt, als das Telefon klingelt.
    Natürlich ist es Fertility.
    »Du hattest Recht mit diesem Verrückten«, sagt sie.
    Ich frage: Womit?
    »Mit diesem Kerl, Trevors Freund«, sagt sie. »Der braucht wirklich Hilfe. Ich habe mich mit ihm getroffen, genau wie du es gewollt hast, und hinter uns im Bus war einer von diesen Kulttypen. Das müssen Zwillinge sein. Sie haben sich jedenfalls ziemlich ähnlich gesehen.«
    Vielleicht täuscht sie sich da ja, sage ich. Die meisten dieser Kultleute sind doch tot. Die waren verrückt und dumm, und fast alle sind inzwischen tot. Steht in der Zeitung. Alles, woran die geglaubt haben, hat sich als falsch herausgestellt.
    »Der Typ im Bus hat ihn gefragt, ob es nicht sein kann, dass sie miteinander verwandt sind, aber Trevors Freund hat Nein gesagt.«
    Dann waren sie eben nicht verwandt, sage ich. Man würde doch den

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