Flug 2039
gekünstelt.«
Aber es gibt diese Mittel nicht?
»Natürlich gibt es sie«, sagt er und zupft mir die ersten beiden Flaschen aus den Händen. »Wir haben das Copyright dafür. Wir haben ein Inventar von fast fünfzehnhundert urheberrechtlich geschützten Namen für Produkte, die sich noch in der Entwicklung befinden«, sagt er. »Und Sie gehören auch dazu.«
Er sagt: »Genau darauf will ich ja auch hinaus.«
Er entwickelt ein Mittel gegen Krebs?
»Wir sind eine auf Gesamtkonzepte spezialisierte Werbeagentur«, sagt er. »Unsere Aufgabe ist es, das Konzept zu entwickeln. Man lässt ein Medikament patentieren. Man lässt den Namen dafür schützen. Sobald dann jemand das Produkt entwickelt, kommt er zu uns, manchmal aus freien Stücken, manchmal nicht.«
Ich frage: Warum manchmal nicht?
»Die Sache funktioniert so: Wir besorgen uns das Copyright für jede nur denkbare Kombination von Wörtern, Griechisch, Latein, Englisch, was Sie wollen. Wir besorgen uns die Rechte an jedem nur denkbaren Wort, das ein Pharmakonzern für ein neues Produkt verwenden könnte. Allein für Diabetes haben wir einen Vorrat von einhundertundvierzig Namen«, sagt er. Er reicht mir einen Stoß zusammengehefteter Papiere aus der Aktentasche, die er auf dem Schoß liegen hat.
GlucoCure, lese ich.
InsulinEase.
PancreAid. Hemazin. Glucodan. Growdenase. Als ich umblättere, fallen mir Flaschen vom Schoß, die dann mit klappernden Pillen auf dem Wagenboden herumrollen.
»Falls eine Pharmafirma jemals ein Mittel gegen Diabetes entdeckt und dafür einen Namen benutzen will, der aus irgendeiner Kombination von Wörtern besteht, die auch nur im Entferntesten mit dieser Krankheit in Zusammenhang stehen, wird sie das Recht für die Nutzung dieses Namens von uns leasen müssen.«
Diese Pillen hier, sage ich, sind also Zuckerpillen. Ich schraube eine Flasche auf und schüttle mir eine glänzende dunkelrote Pille auf die Handfläche. Ich lecke daran. Es ist mit Zucker überzogene Schokolade. Andere sind mit Puderzucker gefüllte Gelatinekapseln.
»Attrappen«, sagt er. »Prototypen.«
Er sagt: »Ich will darauf hinaus, dass jede Phase Ihrer Karriere bei uns bereits durchgeplant ist, und dass wir Ihr Kommen seit über fünfzehn Jahren prophezeit haben.«
Er sagt: »Ich sage Ihnen das, damit Sie sich entspannen können.«
Aber die Katastrophe in der credistischen Kirchenkolonie war doch erst vor zehn Jahren.
Ich stecke mir daraufhin eine Pille, eine orangefarbene Geriamazone, in den Mund.
»Wir haben Sie beobachtet«, sagt er. »Und sobald die Zahl der überlebenden Credisten unter hundert gesunken war, haben wir die Kampagne gestartet. Der ganze Countdown in den Medien in den letzten sechs Monaten – das haben wir lanciert. Das musste bis ins Kleinste gesteuert werden. Anfangs war es noch wenig konkret, in der Werbung wird dauernd gesiebt und gesichtet, hier was hinzugetan, da was aufgeblasen, aber das ist längst alles erledigt. Wir brauchten nur noch einen Kandidaten und den Namen des Überlebenden. Und genau hier kommen nun Sie ins Spiel.«
Aus einer anderen Flasche schüttle ich zwei Dutzend Inazan heraus und lege sie mir unter die Zunge, bis ihre schwarze Zuckerglasur sich auflöst. Darunter schmilzt Schokolade.
Der Agent nimmt weiter bedrucktes Papier aus der Tasche und reicht es mir hin.
Ford Merit, lese ich.
Mercury Rapture.
Dodge Vignette.
»Wir haben die Namensrechte für Autos, die noch gar nicht entworfen sind«, sagt er, »für Software, die noch gar nicht geschrieben ist, für Wundermittel gegen Seuchen, die noch in weiter Ferne sind, für sämtliche Produkte, die wir uns denken können.«
Mit den Backenzähnen zermalme ich eine süße Überdosis blauer Donnadon.
Der Agent beobachtet mich und seufzt. »Das reicht jetzt mit den leeren Kalorien«, sagt er. »Unsere erste große Aufgabe wird sein, Sie so zu verändern, dass Sie zu unserer Kampagne passen.« Er fragt: »Ist das Ihre natürliche Haarfarbe?«
Ich schütte mir eine Million Milligramm Jodazon in den Mund.
»Um es ganz deutlich zu sagen«, sagt der Agent. »Sie sind für unsere Zwecke ungefähr dreißig Pfund zu schwer.«
Das mit den Schwindelpillen verstehe ich. Nicht verstehen kann ich, wie er eine Kampagne zu etwas hat planen können, bevor es passiert ist. Ausgeschlossen, dass er die Kampagne schon vor der Erlösung geplant hat.
Der Agent nimmt die Brille ab und klappt sie zusammen. Er legt sie in seine Aktentasche, nimmt die gedruckten Listen mit
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