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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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musste ich mich schminken lassen. Um die Akne zu heilen, besorgte mir jemand vom Organisationsteam ein Rezept für Retin-A.
    Gegen den Haarausfall besprühte mich das Organisationsteam mit Rogain.
    Alles, was wir taten, um mich zu reparieren, hatte Nebenwirkungen, die ebenfalls repariert werden mussten. Die Reparaturmaßnahmen hatten wiederum Nebenwirkungen, die repariert werden mussten, und so weiter und immer so weiter.
    Stellt euch eine Aschenbrödelgeschichte vor, in der dem Helden aus dem Spiegel ein völlig Fremder entgegenblickt. Jedes Wort, das er sagt, ist ihm von einem Profiteam diktiert worden. Jedes Kleidungsstück ist von einem Designerteam für ihn ausgewählt oder entworfen worden.
    Jede Minute jedes einzelnen Tages ist von seinem PR-Agenten vorausgeplant.
    Vielleicht dämmert’s euch jetzt langsam.
    Und euer Held schluckt nur in Schweden oder Mexiko erhältliche Medikamente, dass er bald nicht mehr an seiner stark gewölbten Brust hinabblicken kann. Er ist braun gebrannt und glatt rasiert, er hat eine Perücke und einen festen Terminplan, weil die Leute in Tucson oder Seattle, die Leute in Chicago oder Baton Rouge keinen Messias mit behaartem Rücken wollen.
    Im zweihundertsten Stock bist du so high, higher geht’s nicht.
    Du bist anaerob, du verbrennst Muskeln statt Fett, aber dein Verstand ist glasklar.
    Die Wahrheit ist, dass all dies auch nur zum Selbstmordprogramm gehörte. Sonnenstudiobesuche und Anabolika sind nämlich nur dann ein Problem, wenn man vorhat, lange zu leben.
    Der einzige Unterschied zwischen Selbstmord und Märtyrertum ist nämlich das Ausmaß der Berichterstattung.
    Wenn im Wald ein Baum umfällt und niemand das mitbekommt, liegt er dann nicht einfach da und vermodert?
    Und wenn Christus an einer Überdosis Barbiturate gestorben wäre, allein auf dem Fußboden im Badezimmer, wäre er dann jetzt im Himmel?
    Es ging also nicht darum, ob ich mich umbringen würde oder nicht. Das ganze Unternehmen, Zeit und Geld, das Autorenteam, die Medikamente, die Diät, der Agent, die Treppen ins Nichts, das alles war nur dazu da, dass ich mich unter den Augen der ganzen Öffentlichkeit umbringen konnte.

Kapitel 25
    Einmal fragte mich der Agent, wo ich mich selbst in fünf Jahren sehen würde.
    Tot, sagte ich. Ich sehe mich tot und verwesend. Oder als Asche, ich sehe mich zu Asche verbrannt.
    Ich hatte eine geladene Waffe in der Tasche, vergesst das nicht. Wir zwei standen abseits im Hintergrund eines überfüllten dunklen Vortragssaals. Es war der Abend meines ersten großen Auftritts.
    Ich sehe mich tot und in der Hölle, sagte ich.
    Ich weiß noch genau, dass ich mich an diesem Abend umbringen wollte.
    Ich sagte dem Agenten, ich nähme an, dass ich meine ersten tausend Höllenjahre in einer Art Wartestand verbringen werde, dann aber wolle ich ins Management aufsteigen. Mich im Team engagieren. Die Hölle werde ihren Marktanteil im nächsten Millennium enorm steigern. An dem Erfolg wolle ich teilhaben.
    Der Agent sagte, das höre sich ziemlich realistisch an.
    Wir rauchten Zigaretten, das weiß ich noch. Vorn auf der Bühne hielt irgendein örtlicher Prediger die Eröffnungsrede. Stimmte das Publikum ein, bis es hyperventilierte. Dazu reicht schon lautes Singen. Oder Schreien. Dem Agenten zufolge atmen die Leute zu viel, wenn sie aus vollem Hals »Amazing Grace« singen oder einfach nur so herumbrüllen. Man müsse ihr Blut übersäuern. Beim Hyperventilieren sinkt der Kohlendioxidspiegel in ihrem Blut, das heißt, ihr Blut wird alkalisch.
    »Respiratorische Alkalose«, sagt er.
    Die Leute werden benommen. Sie brechen mit Ohrgeräuschen zusammen, Finger und Zehen werden gefühllos, sie bekommen Brustschmerzen und Schweißausbrüche. Das soll dann Verzückung sein. Die Leute wälzen sich auf dem Boden herum, die Hände zu starren Klauen verkrampft.
    Das soll dann Ekstase sein.
    »Im Religionsgeschäft nennt man das ›Hummerfangen‹«, sagt der Agent. »Man nennt das in Zungen reden.«
    Ständig wiederholte Bewegungen verstärken den Effekt. Auf der Bühne läuft die übliche Eröffnungsnummer. Das Publikum klatscht im Takt. Lange Reihen von Leuten halten sich an den Händen und schunkeln im Delirium. Andere schwenken die Hände überm Kopf.
    Wer diese Nummer erfunden hat, sagt der Agent, ist in der Hölle bestimmt ein hohes Tier.
    Sponsor dieser Veranstaltung war eine Firma für Fertigbrause.
    Mein Einsatz beginnt, wenn der Eröffnungsredner mich auf die Bühne ruft. Mein Beitrag zur Show

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