Flug 2039
einzige vermarktbare Fähigkeit. Ihr Gewerbe.
Es ist der Job, für den sie geboren wurde.
Sie zahlt keine Steuern. Sie reist gern. Sie ist immer auf Achse, lebt bei reichen Leuten, hat flexible Arbeitszeiten. In manchen Nächten, hat sie mir erzählt, schläft sie während der Prozedur ein. Bei manchen leiblichen Vätern träumt sie von Brandstiftung, von einstürzenden Brücken und Erdrutschen.
»Ich finde nicht, dass ich Unrecht tue«, sagt sie. »Ich glaube eher, dass ich aus Zitronen Limonade mache.«
Der Teleprompter sagt: Du SOLLST IM EWIGEN HÖLLENFEUER
SCHMOREN, DU GOTTLOSE TEUFELSSCHLAMPE.
»Und? Was meinen Sie dazu?«, sagt Fertility.
Die Moderatorin starrt mich so durchdringend an, dass sie gar nicht merkt, dass ihr ein paar Haarsträhnen in die Stirn gefallen sind. Der Regisseur starrt mich an. Der Agent starrt mich an. Die Moderatorin schluckt. Die Autoren geben Text in den Teleprompter ein.
ERFLEHE DEINEN TOD, DU EHEBRECHERISCHE TEUFELSHURE.
Ganz Amerika sitzt vor der Glotze.
Du FINDEST KEINE VERGEBUNG, DU ELENDES TEUFELSMÄDCHEN.
Der Agent schüttelt den Kopf: Nein.
Der Bildschirm des Teleprompters wird vorübergehend schwarz. Die Autoren schreiben. Neuer Text erscheint.
Du FINDEST KEINE VERGEBUNG, DU ELENDE TEUFELSFRAU.
Fertilitys Stimme sagt: »Und was meinen Sie dazu?«
HURE.
Der Agent zeigt auf mich, zeigt auf den Teleprompter, zeigt auf mich, immer hin und her.
SCHLAMPE.
»Sie brechen nicht den Stab über mich, oder?«
UNZÜCHTIGE.
Nur Schweigen geht über den Satelliten. Irgendwer muss jetzt was sagen.
Mit betäubtem Mund lese ich die Worte vom Teleprompter ab. Ohne Gefühl in den Lippen sage ich bloß, was mir da vorgesagt wird.
Die Moderatorin fragt: »Anrufer Nummer drei? Sind Sie noch dran?«
Der Regisseur hebt eine Hand und spreizt die Finger: fünf, vier, drei, zwei, eins. Dann zieht er sich den Zeigefinger waagerecht über die Kehle.
Kapitel 20
Eines sollen die Leute, bevor mein Flugzeug abstürzt, auch noch erfahren: Die Idee für das PornoDepot stammt nicht von mir.
Der Agent schiebt mir andauernd Papiere hin, die ich unterschreiben soll.
Unterschreiben Sie hier, sagt er.
Und hier.
Hier.
Und hier.
Der Agent sagt mir, ich soll neben jeden Absatz meine Initialen setzen. Er sagt, ich brauche das nicht alles zu lesen, ich verstände das sowieso nicht.
Das mit dem PornoDepot ging so:
Es war nicht meine Idee, die kompletten achttausend Hektar der credistischen Kirchenkolonie zu einer Lagerstätte für veraltete pornographische Erzeugnisse dieses Landes zu machen. Magazine. Spielkarten. Videokassetten. CDs. Abgenutzte Dildos. Geplatzte Aufblaspuppen. Künstliche Vaginas. Rund um die Uhr schieben die Bulldozer dort Berge von diesem Zeug herum. Ich rede von achttausend Hektar. Acht-null-null-null Hektar. Jeder einzelne Quadratmeter des credistischen Landbesitzes. Die Tierwelt wird verdrängt. Das Grundwasser verseucht.
Das Gelände wird schon mit Seveso verglichen, aber das alles ist nicht meine Schuld.
Bevor die Kassette des Flugschreibers ausläuft, sollen die Menschen erfahren, wer dafür verantwortlich ist. Es war der Agent. Das Buch der Alltagsgebete. Die Fernsehshow Seelenfrieden. Die amerikanische PornoDepot-Gesellschaft. Die Genesis-Kampagne. Die Tender-Branson-Armaturenbrett-Puppe. Selbst mein verpfuschter Auftritt in der Halbzeit des Superbowls. Das alles ist auf dem Mist des Agenten gewachsen.
Und das alles hat haufenweise Geld eingebracht.
Wichtig aber ist: Nichts davon war meine Idee.
Das mit dem PornoDepot verklickert mir der Agent eines Tages in Dallas oder Memphis. Mein Leben spielte sich zu dieser Zeit nur noch in Stadien und Hotelzimmern ab, überbrückt von Flügen anstelle echter Entfernungen. Die ganze Welt war nur noch ein Teppichmuster, das unter mir dahinraste. Kurzflorige Poly-Nylon-Blütenmuster oder Firmenlogos auf dunkelblauem Hintergrund, oder grauem, auf dem Zigarettenflecken oder Schmutz kaum zu sehen sind.
Die ganze Welt bestand nur noch aus öffentlichen Toiletten, und jedes Mal war Fertility in der Kabine nebenan und flüsterte:
»Morgen Nacht stößt ein Kreuzfahrtschiff mit einem Eisberg zusammen.«
Flüsterte: »Nächsten Mittwoch um vierzehn Uhr stirbt der bolivianische graue Panther aus.«
Der Agent sagt: Für die meisten Amerikaner stellt es ein großes Problem dar, pornographisches Material sicher und unauffällig zu entsorgen. Überall in Amerika, sagt er, existieren riesige Sammlungen von Playboy oder Screw, von
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