Flug 2039
getrunken, aber das sei dann nicht mehr gegangen. Jahre später habe man laktosefreie Milch entwickelt, die er trinken dürfe, aber jetzt könne er den Geschmack von Milch nicht mehr ausstehen.
Als er wegen eines Nierenleidens keinen Alkohol mehr trinken durfte, sei er zunächst schier wahnsinnig geworden. Heute käme er gar nicht mehr auf die Idee, etwas trinken zu wollen.
Damit ich nicht dauernd mein Gesicht in Falten lege, hat mir der Hautarzt unseres Teams Botox, also Botulinum-Toxin, in die Muskeln um Mund und Augen gespritzt, um diese Muskeln für die nächsten sechs Monate lahm zu legen.
Die periphere Parästhesie als Nebenwirkung der Wechselwirkungen aller meiner Medikamente hat meine Hände und Füße praktisch gefühllos gemacht. Dank der Botox-Injektionen kann ich kaum noch das Gesicht bewegen. Ich kann sprechen und lächeln, aber nur noch in sehr engen Grenzen.
Wir fahren zum Flugzeug, das uns zum nächsten Stadion bringen soll. Gott weiß wo. Dem Agenten zufolge ist Seattle bloß die weitere geographische Umgebung des Kingdome-Stadions. Detroit ist die Bevölkerung um den Silverdome. Nie heißt unser Ziel Houston, sondern immer nur der Astrodome. Der Superdome. Das Milie-High-Stadion. Das RFK-Stadion. Das Jack-Murphy-Stadion. Jacobs Field. Shea-Stadion. Wrigley Field. Zu allen diesen Stadien gibt es auch Städte, aber die zählen nicht.
Der Veranstaltungskoordinator fährt ebenfalls mit uns mit. Er gibt mir eine Liste mit den Namen von Bewerberinnen, von Frauen, die mich heiraten wollen, und der Agent gibt mir eine Liste mit Fragen, die ich auswendig lernen soll. Die erste Frage oben auf dem Blatt lautet:
»Welche Frau im Alten Testament hat Gott zu einem Gewürz gemacht?«
Der Veranstaltungskoordinator plant eine große romantische Hochzeit auf der 50-Yard-Linie in der Halbzeit des Superbowls. Die Hochzeitsfarben sollen nach den Farben der Mannschaften ausgewählt werden, die am Superbowl teilnehmen. Nach dem Ritus welcher Religion die Hochzeit durchgeführt wird, hängt vom Ausgang der hinter den Kulissen stattfindenden Bieterschlacht ab, denn da die credistische Kirche ausgelöscht ist, kann ich jetzt ja allem Möglichen beitreten, den Katholiken, den Juden, den Protestanten.
Die zweite Frage auf der Liste lautet:
»Welche Frau im Alten Testament wurde von Hunden gefressen?«
Die andere Möglichkeit, die der Agent erwägt, ist die, dass wir auf den Zwischenhändler verzichten und eine eigene große Religion stiften. Einen eigenen Markenartikel herausbringen. Direkt an den Kunden verkaufen.
Die dritte Frage auf der Liste lautet:
»Ist die ewige Glückseligkeit im Garten Eden vielleicht so langweilig geworden, dass der Biss in den Apfel gerechtfertigt war?«
Wir sechs oder sieben sitzen uns im Fond der Limousine gegenüber, unsere Knie berühren sich.
Der Presseagentin zufolge ist die Hochzeit längst organisiert. Ein Ausschuss hat bereits eine gute, nicht konfessionsgebundene Braut ausgesucht, sodass ich meine Fragen nur noch zum Schein zu stellen habe. Der Ausschuss fährt ebenfalls mit uns mit. Die Leute mixen Drinks an der Bar und teilen sie untereinander aus. Bei der Braut handelt es sich um die Frau, die kürzlich als zweite Veranstaltungskoordinatorin angeheuert wurde. Auch sie sitzt im Auto, und zwar mir gegenüber. Sie beugt sich vor.
Hi, sagt sie. Und sie glaube fest daran, dass wir sehr glücklich miteinander sein werden.
Der Agent sagt, wir brauchten bei der Hochzeit ein großes Wunder.
Die Presseagentin sagt, ein sehr großes.
Der Agent sagt, da müsse ich das größte Wunder meiner Karriere aus dem Hut zaubern.
Fertility, die stinksauer auf mich ist, mein Bruder, der immer noch frei herumläuft, das Laurabolin, das mir durch die Adern strömt, die Sucherei nach einem heiligen Gefäß, das Genesis-Projekt, die völlig fremde Frau hier, die mich heiraten und deflorieren soll, der auf mir lastende Druck, mich umzubringen – das alles verwirrt mich so sehr, dass ich nicht mehr weiter weiß.
Der zweite Sekretär des Medienkoordinators sagt, uns sei der Wodka ausgegangen. Auch er sitzt in der Limousine. Weißwein ist ebenfalls ausgegangen. Aber Tonic haben wir noch jede Menge.
Alle sehen mich an.
Was ich auch mache, sie wollen immer noch mehr. Besser, schneller. Etwas anderes, Neueres, Größeres. Fertility hatte Recht.
Und jetzt sagt mir der Agent, ich soll das größte Wunder meiner Karriere wirken. Er sagt: »Sie müssen das zum krönenden Abschluss bringen.«
Amen,
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