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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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FAMILIEN. DESGLEICHEN SEX MIT ALLEN MÖGLICHEN TIEREN. TEUFELSANBETUNG WAR WEIT VER-BREITET. REGELMÄSSIG WURDEN DEM TEUFEL KINDER GEOPFERT, ABER ERST NACHDEM SIE WIE VERRÜCKT MISSBRAUCHT WORDEN WAREN. DANN HABEN DIE KIRCHENÄLTESTEN SIE GETÖTET. IHR BLUT GETRUNKEN. DAS WAREN KINDER, MIT DENEN ICH TAG FÜR TAG IN DER SCHULE ZUSAMMEN GEWESEN WAR. DIE KIRCHENÄLTESTEN HABEN SIE GEGESSEN. BEI VOLLMOND HABEN DIE
    KIRCHENÄLTESTEN NACKT GETANZT, BEKLEIDET NUR MIT DEN HÄUTEN TOTER CREDISTENKINDER.
    Ja, sage ich, das war alles ganz schön stressig.
    Der Teleprompter sagt: ANSCHAULICHE SCHILDERUNGEN DER CREDISTISCHEN SEXUALVERBRECHEN FINDEN SIE IN MEINEM BUCH. ES HEISST »ERLÖST VON DER ERLÖSUNG« UND IST IN ALLEN BUCHHANDLUNGEN ERHÄLTLICH.
    Ich sehe, wie der Agent und die Autoren sich im Dunkeln schweigend abklatschen. Der Agent sieht mich an und hebt den Daumen.
    Meine Hände sind taub. Ich spüre mein Gesicht nicht mehr. Meine Zunge gehört jemand anderem. Meine Lippen sind abgestorben, eine Folge circumoraler Parästhesie.
    Nebenwirkungen.
    Periphere Parästhesie macht meine Füße vollständig gefühllos. Mein ganzer Körper scheint so weit weg und abgetrennt zu sein wie das Bild von mir auf dem Studiomonitor, das mich im schwarzen Anzug auf einem braunen Sofa zeigt; so muss es sich anfühlen, wenn deine Seele in den Himmel schwebt und zusieht, wie der Rest von dir, dein Körper aus Fleisch und Blut, stirbt.
    Der Regisseur wedelt mir mit den Händen zu, hebt zwei Finger der einen und vier Finger der anderen Hand. Keine Ahnung, was er mir damit sagen will.
    Das meiste von dem, was auf dem Teleprompter erscheint, stammt aus meiner Autobiographie, aus der, die ich nicht geschrieben habe. Die schreckliche Kindheit, die ich nicht hatte. Dem Teleprompter zufolge schmoren die Credisten allesamt in der Hölle.
    Der Teleprompter sagt mir: ÜBER DIESEN FURCHTBAR DEMÜTIGENDEN SCHMERZ WERDE ICH NIE HINWEGKOMMEN, GANZ GLEICH, WIE REICH ICH SEIN WERDE, WENN ICH EINMAL DEN LANDBESITZ DER CREDISTEN ERBE.
    Der Teleprompter sagt: MEIN NEUESTES BUCH, »DAS BUCH DER ALLTAGSGEBETE«, IST EIN WERTVOLLES HILFSMITTEL IM KAMPF GEGEN DEN STRESS, DEM WIR ALLE AUSGESETZT SIND. ES HEISST »DAS BUCH DER ALLTAGSGEBETE« UND IST IN ALLEN BUCHHANDLUNGEN ERHÄLTLICH.
    Der Moderatorin zufolge, die den Regisseur beobachtet, der den Agenten beobachtet, der mich beobachtet, der ich den Teleprompter beobachte, ihr also zufolge bin ich jetzt, da ich vom Todeskult der Credisten befreit bin, ein sehr glücklicher und erfüllter Mensch. Wenn wir zurückkommen, erzählt sie den Kameras, schalten wir die Anrufe der Zuschauer ins Studio.
    Es folgt die nächste Werbeunterbrechung.
    Während der Werbung fragt sie mich, ob meine Kindheit wirklich so schrecklich gewesen sei. Der Agent tritt heran und sagt Ja. Das war sie. Entsetzlich. Ein Techniker, der an Gürtel und Kopf befestigte Kabel hinter sich herzieht, tritt heran und fragt, ob ich ein Glas Wasser möchte. Der Agent sagt Nein. Der Regisseur fragt, ob ich auf die Toilette muss, und der Agent sagt Nein, alles in Ordnung. Er sagt, es störe mich, wenn irgendwelche Fremden mich mit Fragen bedrängen. Ich habe jegliche körperlichen Bedürfnisse hinter mir gelassen. Die Kameraleute verdrehen die Augen, der Regisseur und die Moderatorin sehen einander an und zucken mit den Schultern, als wäre ich es, der sie abwimmelt.
    Dann sagt der Regisseur: Wir zeichnen auf. Und die Moderatorin sagt, Anrufer Nummer eins auf Sendung.
    »Wenn ich in einem vollen Restaurant bin« – der Anrufer ist eine Frauenstimme aus den Studiolautsprechern –, »und zwar in einem sehr teuren Restaurant, und wenn dann neben mir jemand Darmwind abgehen lässt, nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder, einfach furchtbar – was soll ich dann machen?«
    Die Moderatorin hält sich eine Hand vors Gesicht. Der Regisseur wendet sich ab. Der Agent sieht die Autoren an, die meine Antwort in den Teleprompter eingeben.
    Um Zeit zu gewinnen, fragt die Moderatorin, was die Anruferin denn gegessen habe.
    »Irgendwas mit Schwein«, sagt die Anruferin. »Das ist doch egal. Der Gestank war so schlimm, dass ich gar nichts mehr geschmeckt habe.«
    Der Teleprompter sagt: DER HERR HAT UNS VIELE SINNE GEGEBEN.
    Auch der Teleprompter versucht Zeit zu gewinnen.
    Zu DIESEN SINNEN ZÄHLEN DER GERUCHSSINN UND DER GESCHMACKSSINN.
    Ich habe keine Ahnung, worauf die damit hinauswollen.
    LEIDET NICHT UND FREUT EUCH NICHT. FÜHLT EUCH DURCH SOLCHE TALENTE

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