Flug 2039
euch. Die Herrschaften, die diese reizenden Häuser fahren, werden nicht den ganzen Abend lang an ihrem Essen sitzen.«
Die meisten Fernfahrer fahren nachts, erklärt Adam. Dann ist weniger Verkehr. Und es ist kühler. Tagsüber, wenn es heiß und hektisch ist, verlassen sie die Autobahn und schlafen in ihrer Koje hinterm Fahrerhaus.
»Spielt es denn eine Rolle, für was wir uns entscheiden?«, fragt Fertility.
»Das kommt«, sagt Adam, »auf eure Ansprüche an.«
Adam fährt seit zehn Jahren auf diese Weise im Land umher.
Ein Westbury Estate verfügt über ein Esszimmer und einen eingebauten Kamin im Wohnzimmer.
Daß Plantation Manor hat einen begehbaren Schrank und eine Frühstücksecke.
Das Springhill Castle hat ein elegantes Bad mit Whirlpool. Ein elegantes Bad bietet zwei Waschbecken und eine Spiegelwand. Das Wohnzimmer und das Elternschlafzimmer ist mit Oberlichtern ausgestattet. In der Essecke gibt es einen eingebauten Geschirrschrank mit Bleiglastüren.
Dabei kommt es darauf an, welche Hälfte man nimmt. Wie gesagt, das sind nur Teile von Häusern. Zerschnittene Häuser.
Funktionsgestörte Häuser.
Die Hälfte, für die man sich entscheidet, hat vielleicht nur ein Schlafzimmer, oder aber nur eine Küche und ein Wohnzimmer und überhaupt kein Schlafzimmer. Oder drei Badezimmer und sonst gar nichts, oder umgekehrt gar kein Bad.
Es gibt kein Licht. Aus den Hähnen kommt kein Wasser.
Das Haus mag noch so luxuriös sein, irgendetwas fehlt immer. Man mag die Auswahl noch so sorgfältig treffen, nie wird man rundum zufrieden sein.
Wir entscheiden uns für das Springhill Castle, und Adam setzt das Messer an den unteren Rand der Plastikplane und schlitzt sie auf. Der Schlitz ist einen guten halben Meter breit, gerade weit genug, dass er mit dem Kopf voran hindurchschlüpfen kann.
Abgestandene Luft, heiß und trocken, dringt aus dem Schlitz ins Freie.
Adam steckt bereits bis zur Hüfte im Haus, Hintern und Beine sind noch draußen bei uns. »Die Einrichtung ist kornblumenblau«, sagt er. Seine Stimme dringt dumpf hinter der durchsichtigen Plane hervor: »Erstklassige Möblierung. Gepolsterte Sitzecke im Wohnzimmer. Eingebaute Mikrowelle in der Küche. Kronleuchter aus Plexiglas im Esszimmer.«
Adam zwängt sich ganz hinein, dann erscheint sein blonder Kopf im Schlitz und grinst uns an. »Extrabreite Betten. Anrichte mit Holzimitat furniert. Kommode im schlanken Eurostil. Vertikal-Kassettenmarkisen«, sagt er. »Ihr habt eine hervorragende Wahl für euer erstes Heim getroffen.«
Fertility geht voran, dann folge ich ihr durch den Schlitz.
So wie das Innere des Hauses, die Möbel und Farben, von außen verschwommen und undeutlich erschien, wirkt nun die Außenwelt, die wirkliche Welt, hinter der Plane unscharf und unwirklich. Die Neonlichter des Fernfahrerlokals draußen schimmern trüb und verwaschen. Der Lärm der Autobahn klingt hier drin nur noch weich und gedämpft.
Adam geht in die Knie, nimmt eine Rolle durchsichtiges Klebeband und verschließt den Schlitz von innen.
»Den brauchen wir nicht mehr«, sagt er. »Wenn wir am Ziel angekommen sind, gehen wir wie richtige Leute zur Vorder- oder Hintertür hinaus.«
Der Teppichboden liegt aufgerollt an der Wand; er wird erst ausgelegt, wenn das Haus komplett zusammengebaut ist. Möbel und Matratzen sind mit hauchdünnen Plastikschonbezügen abgedeckt. Die Türen der Küchenschränke sind mit Klebeband gesichert.
Fertility drückt auf den Lichtschalter, um den Kronleuchter anzumachen. Funktioniert aber nicht.
»Ihr dürft auch nicht die Toilette benutzen«, sagt Adam, »sonst müssen wir mit dem Gestank leben, bis wir ausgezogen sind.«
Die Neonlichter vom Fernfahrerlokal und die Scheinwerfer von vorbeifahrenden Autos flackern durch die Verandatür des Wohnzimmers; wir sitzen um den mit Ahorn furnierten Tisch herum und essen unsere Chicken Nuggets.
Dieser Teil unseres zerschnittenen Hauses besteht aus einem Schlafzimmer, dem Wohnzimmer, Küche und Esszimmer und einem halben Bad.
Wenn wir es bis nach Dallas schaffen, sagt Adam, können wir in ein Haus umziehen, das auf der Interstate 35 nach Oklahoma transportiert wird. Dort können wir Häuser nehmen, die weiter auf der I 35 nach Kansas gebracht werden. Von dort aus zur I 70 nach Denver. In Colorado nehmen wir ein Haus nach Nordosten, erst auf der I 76 und dann, in Nebraska, auf der I 80.
Nebraska?
Adam sieht mich an und sagt: »Ja. Unser altes Jagdrevier«, sagt er, den Mund voll mit zerkautem
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