Flug 2039
dem Beifahrersitz zu mir herum und sagte: »Hast du vor, das Sandwich ganz allein zu essen?«
Ich sage: Das ist mit Hackbraten.
Wir müssen nach Norden, sagte Adam. Er kenne eine Möglichkeit, aus New Orleans herauszukommen, aber das gehe erst morgen früh. So etwas mache er schon seit fast zehn Jahren, nämlich ohne Geld und unerkannt kreuz und quer durchs Land zu reisen.
Um Menschen zu töten, sage ich.
»Um Menschen zu Gott zu bringen«, sagt er.
»Maul halten«, sagt Fertility.
Wir brauchen Geld, sagt Adam. Wir brauchen etwas Schlaf. Was zu essen. Aber er wisse, wo wir das kriegen könnten. Er kenne einen Ort, wo die Leute noch größere Probleme hätten als wir.
Wir müssten nur ein bisschen lügen.
»Von jetzt an«, erklärt Adam, »habt ihr zwei ein Kind.«
Haben wir nicht.
»Euer Kind ist todkrank.«
Ist es nicht.
»Ihr seid in New Orleans, weil euer Kind hier ins Krankenhaus muss«, sagt Adam. »Mehr braucht ihr nicht zu sagen.«
Adam sagt, den Rest erledige er selbst. Zu Fertility sagt er: »Hier abbiegen.«
Er sagt: »Und hier nach rechts.«
Er sagt: »Zwei Straßen weiter und dann nach links.«
Wo er uns hinbringt, können wir umsonst übernachten. Wir können kostenlos etwas zu essen bekommen. Wir können irgendeine Akkordarbeit machen, Dokumente zusammenstellen oder Umschläge füllen, um damit ein bisschen Geld zu verdienen. Wir können duschen. Uns selbst im Fernsehen betrachten, unsere Flucht in den Abendnachrichten. Adam sagt, ich sehe so grässlich aus, dass niemand in mir einen entflohenen Massenmörder erkennen werde, der den Superbowl ruiniert habe. Wo wir hingehen, sagt er, haben die Leute genug mit ihren eigenen Problemen zu tun.
»Wie ist das eigentlich?«, sagt Fertility. »Wie viele Leute muss man umbringen, um den Sprung vom Serienmörder zum Massenmörder zu schaffen?«
»Ihr bleibt im Wagen«, sagt Adam. »Ich geh rein und deichsle die Sache. Vergesst bloß nicht, dass ihr ein schwer krankes Kind habt.«
Dann sagt er: »Wir sind da.«
Fertility sieht nach dem Haus, dann sagt sie: »Wenn hier einer schwer krank ist, dann du.«
Adam sagt: »Ich bin der Pate eures bedauernswerten Kindes.«
Auf dem Schild im Garten steht: Ronald-McDonald-Haus.
Kapitel 14
Stellt euch vor, ihr lebt in einem Haus, nur dass das Haus jeden Tag in einer anderen Stadt steht.
Adam kannte drei Möglichkeiten, wie wir aus New Orleans herauskommen konnten. Er führte Fertility und mich zu einem Fernfahrerlokal am Rand der Stadt und sagte, wir sollten uns was aussuchen. Die Flughäfen würde man überwachen. Ebenso Bahnhöfe und Bushaltestellen. Trampen könnten wir zu dritt nicht. Zudem weigerte sich Fertility, den ganzen Weg nach Kanada am Steuer zu sitzen.
»Ich fahre sowieso nicht gern«, sagt Fertility. »Außerdem macht es viel mehr Spaß, so zu reisen, wie dein Bruder es tut.«
Wir haben das Ronald-McDonald-Haus verlassen, und jetzt stehen wir auf dem riesigen Schotterparkplatz neben dem Fernfahrerlokal. Adam zieht ein Teppichmesser aus der hinteren Hosentasche und schiebt die Klinge raus.
»Also, was darf’s sein, Leute?«, sagt er.
Nichts hier geht nach Norden. Adam war drin und hat sämtliche Trucker angequatscht. Zur Auswahl haben wir folgende, sagt Adam und zeigt:
Ein Westbury Estate, das über den Highway 10 in Richtung Westen nach Houston fährt.
Ein Plantation Manor, das über den Highway 55 in Richtung Nordosten nach Jackson fährt.
Ein Springhill Castle, das über den Highway 49 in Richtung Nordosten nach Bossier City fährt, mit Zwischenstopps in Alexandria und Pineville, und dann weiter auf dem Highway 20 nach Dallas.
Neben uns auf dem Schotter parken Fertighäuser, vorfabrizierte Häuser auf Tiefladern. Die Häuser sind in Hälften oder Drittel zerschnitten. Die offene Seite jedes Bauteils ist mit durchsichtiger Plastikplane bespannt, dahinter erkennt man verschwommene Umrisse: Sofas, Betten, aufgerollte Teppiche. Größere Gerätschaften. Esszimmergarnituren. Lehnsessel.
Während Adam sich von den Fahrern erzählen ließ, wo sie hinfuhren, ging Fertility mit mir auf die Toilette und färbte mir überm Waschbecken die blonden Haare schwarz und schrubbte mir die Bräunungscreme von Gesicht und Händen. Wir hatten genug Umschläge gefüllt, dass ich mich in einem Billigladen neu einkleiden konnte; und dann reichte es auch noch für eine Tüte Chicken Nuggets mit Krautsalat.
Wir drei stehen auf dem Parkplatz, Adam zeigt mit seinem Messer herum und sagt: »Entscheidet
Weitere Kostenlose Bücher