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Flug des Adlers

Titel: Flug des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. E. Knight
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hatte, um eine Strumpfnaht nachzuahmen, entdeckte ein Spätbuffet, und sie gingen essen.
    »Ich habe meine Nase in den Geschenkeladen gesteckt, während du dir die Bilder angesehen hast«, sagte sie. »Nette Alkoholauswahl, und es gibt sogar Parfüm.«

    »Whiskey aus Zolllagern, aber sie können kein anständiges Paar Stiefel ranschaffen.«
    »Da du es gerade erwähnst, es gibt einen Schuhladen auf der Galerie. Wenn du mir dreißig Scheine leihst, kriege ich den Rest hin. Aber ich muss mich beeilen - sie schließen in zehn Minuten.«
    Valentine gab ihr das Geld.
    Er ging hinaus auf den Balkon, beobachtete die herabstürzenden Wassermassen und genoss die Sommernacht. Schließlich kam er mit einem anderen Bewunderer des Wasserfalls ins Gespräch, einem Künstler in schlecht sitzender Hose und ebensolchem Sakko.
    »Mein Werk heißt Hoffnung und Ruhm« , sagte er. »Damit habe ich hier eine Neumondparty gewonnen.«
    Valentine durchforstete sein Gedächtnis. »Die beiden aufsteigenden Gestalten - sind das Engel?«
    Der Künstler schien erfreut, dass Valentine sich erinnerte. Er fing an, über die Schwierigkeiten zu sprechen, gute Farbe aufzutreiben, als er plötzlich aufblickte. »Das ist Adler. Er hat an der Rezeption einen kurzen Vortrag für die Künstler gehalten.«
    Valentine blickte zur Spitze des bugförmigen Gebildes. Dort war ein kleiner Balkon über dem, auf dem sie standen, und ein gedämpfter Lichtschein fiel von drinnen heraus. Ein Mann stand da und blickte über die Brüstung, doch sein Gesicht lag wegen des von hinten kommenden Lichts im Schatten. Dann drehte er sich und beugte sich vor, und Valentine konnte ihn besser erkennen.
    Das Aussehen des Mannes gefiel Valentine. Braun gebrannt - dabei hatte möglicherweise die Höhenlage des Ausblicks mitgeholfen - und schlank, aber nicht hager, grau-weißes Haar, das sich von der braunen Haut abhob, eine väterliche Figur in der Dämmerzone mittlerer Jahre, die zum westlichen Horizont jenseits der Ausläufer der
Kaskaden schaute. In der Hand hielt er eine brennende Zigarre.
    Spätabendliche Essensgäste spazierten aus dem Speisesaal und gesellten sich zu den Wasserfallbewunderern. Gide kehrte mit schwarzen Schuhen mit flachen Absätzen und echten Strümpfen zurück.
    Adler legte seine Zigarre auf die Balkonbrüstung. Sie rollte zur Seite, und er hielt sie mit einem Finger auf.
    »Ist genug Schnaps da?«, rief er zu den Leuten unter sich herunter. Er hatte eine klare Stimme und sprach schnell wie ein Radiosprecher.
    Ein paar Männer erhoben ihre Gläser. Ein Paar applaudierte.
    »Ich bin hier, um die Nachtluft zu genießen, nicht um eine Rede zu halten. Genießen Sie den Abend.« Er hob den Finger, und die Zigarre rollte von der Brüstung. Ein Offizier mit Backenbart in einer schwarzen Paradeuniform fing sie auf.
    Als Backenbart seine Trophäe seiner Begleitung zeigte, einer Blondine mit dem Körper einer Siebzehnjährigen und den Augen einer Fünfunddreißigjährigen, war Adler schon wieder nach drinnen verschwunden.
    »Er ist schüchtern«, sagte der Künstler. »Mir gefällt das.«
    Valentine sah in die klare Nacht hinaus und fragte sich, was das schüchterne Militärgenie sich dort im Westen wohl angesehen hatte. Schwefelfarbenes Licht lag über den fernen Wolken über Seattle.

    »Ich dachte, du wolltest dir Stiefel kaufen«, sagte Valentine, als sie in ihr Zimmer zurückkamen. Das Bett war aufgeschlagen worden, und der Raum war erfüllt von einem eleganten, blumigen Duft.
    »Hab ich auch«, sagte sie und zeigte auf einen Karton. »Und Socken, jede Menge. Tolle Qualität. Ich habe auch
ein paar für Julia gekauft. Sie hat mir dieses Kleid geliehen, in das ich nicht ganz reinpasse.«
    »Wer ist Julia?«, fragte Valentine.
    »Meine Zimmergenossin. Es dauert ein bisschen, sich an sie zu gewöhnen - sie wurde als Sklavin bei Grogs in Oregon geboren. Sie haben sie erwischt, als sie in der Speisekammer herumgestöbert hat, und ihr die Nase mit einer Blechschere abgeschnitten. Sie macht zwar immer Witze darüber … wenn man sie erst mal kennengelernt hat, ist sie wirklich ein süßes Mädchen. Aber wenn sie ausgeht, trägt sie immer einen Seidenschleier und nennt sich ›das Phantom‹. Der Verkäufer hat mir einen großen Rabatt auf die Stiefel gegeben, weil sie gebraucht sind, dabei kann man das kaum erkennen.«
    Als er sein Hemd auszog, warf Valentine einen Blick auf das Etikett an der Sohle - irgendetwas Italienisches. Das passte gut zu der Aura von

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