Flug in den Weltraum
stehen und sich ihre strahlenden Seiten zukehren. Wenn ich sie aber mehr oder weniger waagerecht stelle ... sehen Sie, durch diese Hebel hier, Herr Grabbe, dann kann der Strahlungsdruck frei wirken ...«
Noch während er es sagte, bewegte Hegemüller die Hebel aus ihrer Lage, und im gleichen Augenblick ging ein leichtes Schüttern durch die Kammer.
»Hegemüller! Was machen Sie? Sind Sie toll geworden?« Grabbe stieß die Worte heraus, während sein Blick an einem der Kammerfenster hing. Durch das Glas hindurch sah er draußen die Hallenwand sich langsam nach unten bewegen. Schon glitt die Oberkante eines der hohen Fenster vorüber. Jetzt kam die Dachtraufe in Sicht, als Hegemüller wieder in die Hebel griff.
Sofort verlangsamte sich der Aufstieg der Kammer und kam in der nächsten Minute ganz zum Stehen. In umgekehrter Folge glitten die Einzelheiten der Hallenwand wieder vor Grabbes Augen vorüber. Die Dachkante, das Fenster. Immer langsamer wurde der Fall der Kammer nach unten, während Dr. Hegemüller die Hebel kaum merklich verstellte. Ein leichtes Scharren, ein kaum fühlbarer Stoß zum Schluß. Sie stand wieder fest auf dem Boden, Hegemüller öffnete die Tür.
Kein Wort war während der kurzen Fahrt mehr aus Grabbes Mund gekommen. Mit zusammengepreßten Lippen, jeden Muskel gestrafft, hatte er durch das Fenster gestarrt. Jetzt entspannten sich seine Züge wieder, er wollte sprechen, aber Hegemüller kam ihm zuvor.
»Ich wollte jetzt bei Tageslicht nicht höher gehen, Herr Chefingenieur. Unbefugte hätten dabei die Strahlrakete sehen können, das Geheimnis wäre nicht mehr gewahrt geblieben.«
Jetzt erst kam Grabbe zu Wort. »Sie sind des Teufels, Hegemüller!« war das einzige, was er hervorzubringen vermochte. Noch suchte er nach Worten, als Dr. Hegemüller weitersprach.
»Wir können schneller steigen. Die Strahlenplatten waren nur um dreißig Grad auseinandergeschwenkt. Den vollen Auftrieb liefern sie erst bei hundertachtzig Grad.«
»Hören Sie auf!« fuhr ihm Grabbe dazwischen, aber Hegemüller ließ sich in seinem Vortrag nicht stören.
»Der Mond ist fast voll. Wie denken Sie über einen kleinen Nachtflug in die Stratosphäre?«
»Danke für die freundliche Einladung, Herr Doktor Hegemüller.« Abweisende Ironie klang aus den Worten Grabbes. »Ich möchte meine Knochen nicht unnötig riskieren. Ich will Ihnen sogar glauben, daß Sie mit Ihrer improvisierten Strahlkutsche bis in die Stratosphäre kommen ... aber sicher zurücckommen werden Sie kaum. Es fehlt Ihnen ja die Orientierung nach unten.«
»Verzeihen Sie, Herr Grabbe, das ist ein Irrtum.« Mit dem Fuß schob Hegemüller eine Bodenklappe beiseite. Glas kam darunter zum Vorschein, die Scheibe eines in den Boden eingesetzten Fensters.
»Hm! So, so! Daran haben Sie auch gedacht. Nicht übel. Na, Schneider wird sich freuen, wenn er seine Kammer wieder zu Gesicht bekommt.«
»Die kriegt er nicht wieder, Herr Grabbe.« Hegemüller sagte es so überzeugungstreu, daß Grabbe trotz seiner Erregung lachen mußte. »Auch gut, meinetwegen!« lenkte er ein. »Wir werden Herrn Schneider eine neue Kammer bauen müssen; aber auch Sie, Verehrtester, werden mir mit diesem provisorischen Vehikel hier keine halsbrecherischen Versuche mehr anstellen. Was Sie da gemacht haben, Herr Hegemüller, ist gut. Daß es mal wieder gegen alle Werksbestimmungen verstößt, sind wir nachgerade von Ihnen gewöhnt. Jetzt wollen wir die Sache aber mal vernünftig und mit den richtigen Mitteln angreifen. Kommen Sie mit in mein Büro. Wir müssen die Angelegenheit besprechen.«
Als Hegemüller in seinem Arbeitszimmer seinen Hut vom Haken nahm, klingelte das Telefon. »Sofort ... einen Augenblick.« Er reichte dem Chefingenieur den Hörer. »Herr Doktor Schneider möchte Sie sprechen.«
»Hat mir gerade noch gefehlt!« Grabbe sprach eine Minute in das Mikrophon und warf den Hörer auf die Gabel zurück.
»Ein verfluchter Kerl, der Hegemüller«, sagte am anderen Ende der Leitung Dr. Schneider ärgerlich zu dem Physiker Krause.
»Wie ist’s? Will er die Kammer nicht ‘rausrücken?« fragte er ihn.
»Kein Gedanke daran. Er braucht sie noch. Herr Doktor Hegemüller geruht unsere Kammer noch auf unbestimmte Zeit zu gebrauchen.«
»Aber das geht doch nicht, Herr Schneider. Das ist ganz unmöglich. Was sollen wir denn da machen?«
»Wir sollen uns eine andere bauen, hat der Chefingenieur dekretiert. Eine andere bauen. Verstehen Sie, Herr Krause? Aber wie lange das
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