Flug in den Weltraum
Morgenstunde schlugen, war die Montage beendet. Die Werkleute packten ihr Handwerkszeug zusammen und verließen die Halle, um sich wohlverdienter Ruhe hinzugeben; Dr. Hegemüller blieb allein zurück.
Im Frühlicht des neu heraufkommenden Tages ging er auf den Abstellraum hinaus. Noch einmal überprüfte er diese wunderliche, nach seinen Ideen und Plänen an die Versuchskammer angebaute Maschinerie, öffnete die Tür der Kammer und betrat ihr Inneres. Verschiedene Hebel und Handgriffe betätigte er drinnen und stellte fest, daß sie leicht jedem Druck gehorchten. Mit zufriedener Miene verließ er nach einiger Zeit die Kammer wieder und ging in sein Arbeitszimmer. Eine Weile blieb er dort noch an seinem Schreibtisch sitzen, und seine Gedanken begannen zu wandern.
Was er erstrebte, hatte er erreicht. Die wenigen Minuten in der Versuchskammer hatten ihm Gewißheit darüber gegeben. Mochte dieser Tag nun bringen, was er wollte. Dr. Hegemüller war bereit, dem Kommenden entgegenzutreten. Er griff nach Hut und Stock. Dem verschlafen aufblickenden Nachtportier vergnügt einen guten Morgen wünschend, trat er durch das Portal auf die Straße hinaus. Jetzt nach Hause gehen und sich noch einmal ins Bett legen? Er verspürte keine Lust dazu; er zog es vor, sich die Zeit bis zum Werkbeginn durch einen Spaziergang zu vertreiben. Über taufrische Wiesen, durch im Frühsommerlaub stehenden Wald wanderte er dahin, bis es Zeit wurde, wieder ins Werk zu gehen.
Fast genauso, wie er es vorausgesehen, spielten sich die Ereignisse im Laufe des Vormittags ab. Ein Anruf von C III ... nochmalige schroffe Weigerung Hegemüllers ... wiederum eine Weigerung, und dann – es war um die elfte Morgenstunde – erschien Grabbe selbst in der Abteilung Hegemüllers.
Offensichtlich lag dem Chefingenieur daran, die Dinge zu einem friedlichen Ende zu bringen. Nur mit halbem Ohr hörte er die Einwendungen Dr. Hegemüllers an, während seine Blicke in der Halle hin und her gingen.
»Wo haben Sie die Kammer?« unterbrach er ihn.
»Auf dem Abstellplatz, Herr Grabbe. Es schien mir nicht zweckmäßig, die Versuche hier vorzunehmen, wo möglicherweise ein Unbefugter davon Kenntnis bekommen könnte.«
»Auf dem Abstellplatz? ... Hm ... eigenartig ... Ich möchte die Kammer einmal sehen, Herr Dr. Hegemüller.«
»Bitte sehr, Herr Chefingenieur«; Hegemüller sagte es scheinbar ruhig, obwohl sein Herzschlag in diesen Sekunden beträchtlich schneller als vorher ging.
Seite an Seite verließen sie die Halle und kamen auf den Abstellplatz.
»Ja, zum Teufel, wo steht denn die Kammer?« fragte der Chefingenieur, nachdem er sich vergeblich nach allen Seiten umgeschaut hatte.
»Bitte hier, Herr Grabbe.« Es war begreiflich, daß der Chefingenieur das Streitobjekt nicht erkannte, obwohl er direkt davorstand. Er hatte die Versuchskammer als einen glatten, aufrecht stehenden Zylinder in Erinnerung, hier aber sahen seine Augen etwas ganz anderes. Reichlich ein Dutzend teils größerer, teils kleinerer, teils senkrecht, teils waagerecht angeordneter Stahlblech flächen, auf den ersten Blick ein unübersehbares Gewirr, verschleierten die Zylinderform bis zur Unkenntlichkeit. Es dauerte ein Weilchen, bis Grabbe die Versuchskammer als den tragenden Kern dieser Konstruktion erkannte. Kopfschüttelnd schritt er um das absonderliche Bauwerk herum, blieb dann von Hegemüller stehen.
»Sie sagten mir, Herr Doktor Hegemüller, daß Sie die Kammer für Strahlmessungen nötig hätten. Unter der Bedingung, daß Sie diese unbeschädigt zurückgeben, wurde sie Ihnen leihweise überlassen. Mit keinem Wort war von derartigen Umbauten die Rede. Was hat das da ...« er wies auf die von Grund auf veränderte Kammer, »mit Messungen zu tun?«
»Messungen des Strahlungsdruckes, Herr Grabbe. Darf ich Sie bitten, mir zu folgen.« Hegemüller öffnete, während er es sagte, die Tür zu der Kammer, nötigte den Chefingenieur mit einer einladenden Handbewegung einzutreten, folgte ihm und schloß die Tür wieder. Verwundert blickte der Chefingenieur auf die mannigfachen Hebel und Handgriffe im Innern der Kammer, während Hegemüller in seiner Erklärung fortfuhr.
»Ich kenne das Gewicht der Konstruktion, Herr Grabbe. Das Gewicht von uns beiden kann ich schätzungsweise mit hundertfünfzig Kilogramm in Rechnung stellen. Es fragt sich nun, welche Größe genügt, um diese Gewichte durch den Strahlungsdruck zu kompensieren. Da habe ich nun Flächen angebracht, die jetzt noch senkrecht
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