Flug in den Weltraum
Nachrichten über die Pläne O’Neils’ erschienen, wurde die Welt plötzlich durch eine neue Sensationsmeldung erschüttert. In Schlagzeilen brachten sie die Londoner Mittagsblätter, in noch größeren Lettern stand es in allen Zeitungen des Empires.
»Dr. Henry Lee zum Mondflug gestartet.«
»Die Strahlrakete von Dr. Lee.«
»Dr. Lee beabsichtigt Landung auf dem Mond.«
Zwischen den Schlagzeilen stand ein Text, aus dem hervorging, daß Dr. Lee zusammen mit seinen drei Assistenten Johnson, Perkins und Brown den Raumflug gewagt hatte. Weiter erfuhren die Leser daraus, daß die Rakete mit Sauerstoff, Proviant und Wasser für einen Monat versehen sei. An diese wenigen Tatsachen knüpfte der Bericht eine Flut von Hoffnungen, Vermutungen und Möglichkeiten, die zwar der Fantasie seines Verfassers alle Ehre machten, aber mit der harten Wirklichkeit wenig zu tun hatten. Auf Funkwellen flog die neue Kunde aus dem britischen Weltreich nach West und Ost über den Erdball. Noch am Abend des gleichen Tages wurde sie auch von den überseeischen Zeitungen gebracht und erregte in der Neuen Welt nicht weniger Aufsehen als in der Alten.
»Was sagen Sie dazu, Doktor?« fragte Grabbe und hielt Hegemüller ein Zeitungsblatt hin.
»Der Mann und seine Begleiter sind verloren, Herr Grabbe.« »Warum verloren, Herr Hegemüller? Ist Ihr Urteil nicht etwas voreilig?«
»Dr. Lee will auf dem Mond landen, Herr Grabbe. Ich glaube, er ist sich nicht klar darüber, was das zu bedeuten hat.«
Chefingenieur Grabbe widersprach. »Doktor Lee ist ein bedeutender Physiker. Es ist anzunehmen, daß er sich die Gefahren seines Unternehmens vorher genau überlegt hat.«
Hegemüller verharrte auf seinem Standpunkt. »Nein und nochmals nein, Herr Grabbe!«
»Ich glaube, Sie tun dem Mann Unrecht, Herr Doktor Hegemüller. Aus dem Bericht geht hervor, daß die Expedition für alle Eventualitäten ausgerüstet ist. Unter anderem wurden für die vier Insassen Skaphanderanzüge mit elektrischer Beheizung und Sauerstofftornister mitgenommen ...«
Hegemüller lachte kurz auf. »Die elektrische Beheizung wird ihnen ganz besonders nützen, wenn die Temperatur der sonnenbestrahlten Mondoberfläche auf 125 Grad Celsius ansteigt.«
»125 Grad Celsius?« unterbrach ihn Grabbe. »Ist das nicht ein bißchen reichlich, Herr Doktor?«
»Im Gegenteil, Herr Grabbe. Es sind noch zwei Grad zuwenig. Das Mount-Wilson-Observatorium hat in der Mitte der vollbeleuchteten Mondscheibe 127 Grad Wärme festgestellt. Zum Ausgleich dafür wird es aber recht unangenehm frisch, sobald die Sonnenbestrahlung fehlt. Das amerikanische Observatorium maß während einer Finsternis schon eine halbe Stunde später an der gleichen Stelle der Mondoberfläche eine Temperatur von 123 Grad Kälte. Über einen Mangel an Abwechslung werden sich Herr Lee und seine Gefährten also nicht zu beklagen brauchen. Daß sie dies mörderische Mondklima lebendig überstehen, halte ich allerdings für völlig ausgeschlossen.«
»Ich glaube, Sie sehen doch zu schwarz, mein lieber Hegemüller«, wandte der Chefingenieur ein. »Zwischen 120 Grad Hitze und 120 Grad Kälte gibt es doch eine Mitteltemperatur, bei der ein Mensch existieren kann. Wenn Lee und seine Leute sich gerade an der Grenze zwischen der sonnenbestrahlten und der unbestrahlten Mondfläche halten, könnten sie die gefährlichen Temperaturen vermeiden.«
Nur zögernd gab Hegemüller die von Grabbe vorgebrachte Möglichkeit zu.
»Vergessen Sie aber nicht, Herr Grabbe«, meinte er, »daß jene Grenze zwischen Licht und Schatten, auf der menschliches Leben vielleicht möglich ist, sich am Mondäquator mit einer Geschwindigkeit von 17 Kilometer in der Stunde verschiebt. Erleidet die britische Maschine bei der Landung etwa einen Defekt, der sie auch nur für eine Stunde manövrierunfähig macht, so sind sie verloren. Rettungslos müssen sie dann entweder in die Zone tödlichen Frostes oder in verderbenbringende Glut geraten.«
Grabbe zuckte die Achseln. »Aus Ihnen werde ein anderer klug. Das eine Mal sind Sie optimistisch bis zur Verwegenheit; das andere Mal sehen Sie alles schwarz in schwarz. Die Zeit wird es erweisen, wer von uns beiden recht behält. Ich bin auf die nächsten Nachrichten von Dr. Lee gespannt.«
Chefingenieur Grabbe schickte sich an, den Raum zu verlassen, als eine kurze Bemerkung Hegemüllers ihn nachdenklich stimmte. »Sie werden keine Nachricht von Dr. Lee bekommen«, hatte er gesagt.
Sollte Hegemüller mit seiner
Weitere Kostenlose Bücher