Flug in den Weltraum
drückte die Hände an seine Ohren und schrie Marzano zu: »Das ist ein Lärm, um Tote aufzuwecken.«
Marzano, der seine Augen an einer der Luken der Rakete hatte, nickte. »Stimmt, Signor Capitano! Der Tote da drin ist wieder lebendig geworden. Er hat sich aufgesetzt, bewegt den Kopf, sieht sich um.«
»Vorwärts! Hurtig! Avanti!« spornte Guerresi seine Leute an. »Sputet euch, daß wir den armen Teufel schnell aus seinem Gefängnis herausbekommen.«
Seine Worte taten ihre Wirkung. Noch schneller und kräftiger als bisher fielen die Hammerschläge. Ein letztes Splittern, Knirschen und Krachen noch, und ein Stück der Metallwandung brach heraus. Groß genug, daß Guerresi durch die entstandene Öffnung in die Rakete hineinsteigen konnte. Auf dem Fuße folgte ihm Marzano.
Sie fanden bestätigt, was sie bereits von außen gesehen hatten. Nur ein Mann war in der Rakete. Ein Mensch, der zwar lebte, aber schwer benommen und immer noch halb ohnmächtig war. Sie hoben ihn heraus, trugen ihn in die Kabine Guerresis und betteten ihn auf ein bequemes Lager. Aufs neue wurde er hier bewußtlos.
Die »Felicitâ« hatte keinen Arzt an Bord. In Notfällen mußten die medizinischen Kenntnisse des Kapitäns herhalten. Der ging jetzt mit sich zu Rate und kam zu folgendem Schluß: Der Mann ist ein Brite. Für Engländer soll Whisky gewöhnlich das beste sein. Dann handelte er danach. Er rieb seinem Patienten Stirn und Schläfen mit kräftigem Whisky ein und verabreichte ihm auch innerlich eine kräftige Dosis davon, mit dem Erfolg, daß der so Behandelte die Augen aufschlug und Fragen stellte, die Signor Guerresi zum Glück beantworten konnte, da er als Seemann der englischen Sprache mächtig war.
»Sie sind an Bord eines italienischen Dampfers, Sir. Ihre Maschine ist ebenfalls geborgen. Befindet sich oben auf Deck.«
Allmählich kam auch Guerresi dazu, Fragen zu stellen. Er Wollte in Erfahrung bringen, wodurch der Mann in diesen Zustand geraten war, und konnte bald ausfindig machen, daß es durch den scharfen Stoß beim Aufschlag der Rakete auf das Wasser geschehen war. Konnte durch vorsichtiges Befühlen des Briten auch feststellen, daß der keinen ernstlichen Schaden erlitten hatte. Eine kräftige Mahlzeit und noch einige Glas Whisky taten dann das Ihrige. Im Laufe der nächsten Stunde erfuhr Kapitän Guerresi nicht nur, daß er es mit Dr. Lees Assistenten Joe Brown zu tun hatte, sondern erhielt auch Auskunft über dessen Abenteuer und das Schicksal seiner drei Gefährten.
Es war eine aufregende und traurige Geschichte, die Guerresi Stück um Stück aus seinem Patienten herausholte. Voller Zuversicht war Dr. Lee mit seinen drei Gefährten gestartet, und zunächst war alles gut gegangen. Freilich war die Triebkraft seiner Maschine nicht annähernd so stark wie diejenige der deutschen und japanischen Rakete, aber nach einem sechstägigen Flug erreichte sie doch ihr Ziel, und Lee konnte zur Landung schreiten.
Schon während des Fluges hatte er seinen Begleitern genaue Instruktionen für das Verhalten nach der Landung gegeben. Grundsätzlich sollten stets zwei Mann in der Rakete bleiben, während die anderen, angetan mit den für diesen besonderen Zweck konstruierten Skaphanderanzügen, die Maschine durch eine Luftschleuse verlassen und auf Erkundung gehen sollten. Die Luftschleuse war erforderlich, da der Erdtrabant ja keine Atmoshäre hat. Die Rakete verlassen bedeutete also, in einen luftleeren Raum hinauszutreten. Wäre das aber durch eine einfache Tür hindurch geschehen, so wäre die unter irdischem Atmosphärendruck stehende Luft der Rakete im Augenblick ins Freie verpufft, was natürlich Tod und Untergang für die Insassen bedeutet hätte. Auch die Skaphanderanzüge waren auf diese Verhältnisse eingerichtet. Zwar glichen sie äußerlich durchaus Taucheranzügen, aber ihr Stoff war darauf berechnet, einen inneren Überdruck auszuhalten, so daß die Raumschiffer auch außerhalb der Rakete die gleichen Druckverhältnisse und Atmungsbedingungen haben mußten wie auf der Erde. Dr. Lee hatte also durchaus zweckmäßig für alles vorgesorgt.
Verfehlt aber war es, daß er die Landung nicht an einem der Mondpole, sondern in der Nähe des Äquators vollzog, wo die Grenze zwischen Licht und Schatten, zwischen Hitze und Kälte sehr schnell wandert. Er landete im Schattengebiet noch etwa zwei Kilometer von der Lichtgrenze entfernt und entschloß sich, sofort in Begleitung von Perkins auf Erkundung auszugehen, während Johnson und
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