Flug in den Weltraum
Prophezeiung recht behalten? Die Tage reihten sich aneinander, ohne daß ein Lebenszeichen von der britischen Maschine kam. Schon begannen sie sich zu Wochen auszudehnen, während man immer noch hoffte und in Croydon stündlich die Rückkehr der kühnen Weltraumflieger erwartete.
Als die vierte Woche anbrach, begann die Stimmung umzuschlagen. Nun fing man in England an zu rechnen: Jetzt haben sie noch für sechs Tage Sauerstoff an Bord; noch Wasser und Proviant für vier Tage ... jeder neue Tag ließ die Zahlen weiter schrumpfen, die Hoffnungen geringer werden. Man erinnerte sich früherer Unfälle, bei denen Unterseeboote auf den Seegrund gesunken waren. Ohne Mundvorrat konnte ein Mensch Wochen überdauern, ohne Wasser wenigstens einige Tage, aber ohne Frischluft nur wenige Minuten. Drohend erhob sich das Gespenst des Erstickungstodes für Dr. Lee und seine Gefährten. Schon zählte man die Stunden, die ihnen noch übrigblieben, zählte schließlich sogar noch die Minuten bis zu jener verhängnisvollen letzten, in der man die Expedition verloren geben mußte, und dann liefen die Maschinen der Presse an und warfen Extrablätter heraus. Wieder gab es knallende Schlagzeilen, doch anders als vor vier Wochen waren sie gehalten. Eine Trauerbotschaft hatten sie zu verkünden. Das tragische Ende eines kühnen Forschers hatten sie der Leserschaft mitzuteilen. Ein Ende, das sich nach den Unterlagen des Nationallaboratoriums fast auf die Sekunde genau angeben ließ.
Chefingenieur Grabbe war erschüttert, als er die Nachricht am Lautsprecher hörte. Auch in Gorla hatte man ja das Schiccsal der Expedition verfolgt; mit begreiflichem Interesse zuerst, mit immer steigender Sorge danach, bis nun die traurige Gewißheit kam.
»Sie haben recht behalten«, sagte Grabbe zu Hegemüller. »Leider, Herr Grabbe. Ich hätte mich lieber Lügen strafen lassen, doch die harten Tatsachen sind stärker als alle Wünsche und Hoffnungen. Erinnern Sie sich noch, wie Hidetawa noch vor seiner Rückkehr nach Tokio über das Unternehmen urteilte. Er war genau der gleichen Meinung wie wir.«
Über die ganze Erde hin verbreitete der Rundfunk die Nachricht von dem tragischen Ende der Expedition, und von Millionen Hörern wurde sie vernommen. Auch Signor Guerresi, der Kapitän des Frachtdampfers »Felicità«, der sich auf der Fahrt von Sardinien nach Neapel befand, hatte sie gehört und seinem Ersten Offizier, Signore Marzano, seine Meinung über den Fall nicht vorenthalten.
»Diese tapferen Forscher sind nun tot«, hatte er gesagt. »Schon vor vier Stunden erstickt, wie das Radio eben gemeldet hat. Ein böses Ende, Signor Marzano. Aber schließlich haben sie es sich selber zuzuschreiben.«
»Wie das, Signor Capitano?«
»Weil man ihr Unterfangen als einen bewußten Selbstmord auffassen kann, Signor Marzano. Ich las darüber im ›Popolo Romano‹ einen Artikel von einem berühmten Professor. Er verurteilte das Unternehmen als einen selbstmörderischen Wahnsinn und sagte die Katastrophe als unvermeidlich voraus.«
Dies Gespräch zwischen Guerresi und Marzano fand in der Offiziersmesse der »Felicitâ« statt, und danach wurde es für Marzano Zeit, seine Wache auf der Brücke anzutreten, während Guerresi sich in seine Kabine zurückzog.
Gemächlich schlenderte Marzano auf der Kommandobrücke der »Felicitâ« hin und her. Die Tyrrhenische See lag glatt wie ein Spiegel unter einem wolkenlosen Himmel. Kein Lüftchen regte sich, so daß der Erste Offizier reichlich Muße hatte, seinen Gedanken nachzugehen, noch einmal ließ er sich das vorher Gehörte durch den Sinn gehen. Die kühnen Raketenflieger waren nun also elend erstickt. Eingeschlossen in einem metallenen Kerker trieben ihre Leichen irgendwo im unendlichen Weltraum oder lagen auf dem Mond, und bis zum jüngsten Tag würden sie so treiben oder liegen. Nie mehr würde man von ihnen etwas sehen oder hören.
Durch ein pfeifendes, singendes Geräusch wurde Marzano aus seinen Betrachtungen gerissen. Immer stärker schwoll das Geräusch an, wandelte sich in ein brausendes Dröhnen, und dann schlug etwas Schimmerndes, Metallisches kaum zweihundert Meter von der »Felicitâ« entfernt auf das Meer und wühlte bei seinem Sturz die eben noch so ruhige Wasserfläche auf.
Eine ringförmige Welle lief von der Einschlagstelle her nach allen Seiten über die See hin. Noch rieb sich Marzano erstaunt die Augen, als die Welle klatschend gegen die eiserne Wand der »Felicitâ« schlug. Er hatte etwas
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