Flug in Die Nacht
unter Einsatzbedingungen ist, aber da wir die notwendigen Abläufe monatelang geübt haben, müßte sie zu schaffen sein. Noch Fragen?« Keiner meldete sich. »Die nächste Besprechung in zwei Stunden sollte unsere letzte Zusammenkunft vor dem Start der ersten Maschine sein. Ich erwarte, daß die Starts danach zügig ablaufen. Also los, meine Damen und Herren – Bewegung!«
Jarrel beobachtete, wie die Staffelchefs seines Geschwaders rasch den Besprechungsraum verließen. Er kannte die Gefahren, die vor diesen Männern und Frauen lagen, und beneidete sie nicht um ihren Auftrag.
Sein eigener Vater war 1953 im Koreakrieg gefallen, und er selbst hatte in Vietnam über fünfhundert Einsätze mit F-5 und A-7 geflogen. Er hatte viel Kampf und viele Tode erlebt.
Nein, er beneidete keinen von ihnen. Aber sie hatten einen Auftrag zu erfüllen – genau wie er. Jarrel folgte ihnen hinaus, um in sein Dienstzimmer zurückzugehen. »Gott schütze euch«, sagte er wie zu sich selbst.
10
Über dem Philippinischen Meer östlich von Mindanao Donnerstag, 6. Oktober 1994, 03.47 Uhr Ortszeit
Ihre Identität und ihr Auftrag waren unverkennbar – weltweit gab es nur wenige Maschinen, die so flogen.
»Identifizierung bestätigt, Genosse Kapitänleutnant«, meldete der Wachoffizier des chinesischen Zerstörers Feylin.
»Amerikanischer Höhenaufklärer, Peilung null-sechs-fünf Grad, Geschwindigkeit sechshundertfünfzig Stundenkilometer, Höhe dreiundzwanzigtausend Meter, Entfernung einundneunzig Kilometer, weiter abnehmend. Vermutlich eine U-2 oder TR-1.«
Der Zerstörerkommandant schüttelte erstaunt den Kopf.»Geschwindigkeit und Höhe wiederholen«, verlangte er.
«Geschwindigkeit sechs-fünf-null, Höhe … zwo-drei- tausend.«
Dreiundzwanzigtausend Meter! Das lag weit über der Dienstgipfelhöhe aller chinesischen Jäger und entsprach fast genau der wirksamen Schußhöhe des Fla-Raketen Systems Hong Qian-61 der im Philippinischen Meer stationierten chinesischen Fregatten. »Natürlich keine Reaktion auf unsere Funkwarnungen?« fragte der Zerstörerkommandant.
»Keine, Genosse Kapitänleutnant«, bestätigte der Wachoffizier. »Weiter auf Westkurs in Richtung Davao.«
»Dann machen wir unsere Drohung wahr!« sagte der Kommandant eifrig. «Sind Zhangyhum und Kaifeng in Position ?«
»Ja, Genosse Kapitänleutnant. Der Zerstörer Zunyi auch.«
»Sehr gut! Mal sehen, ob wir ein amerikanisches Spionageflugzeug runterholen können. Entfernung?«
»Dreiundachtzig Kilometer, weiter abnehmend.«
»Klar zum Abfangen bei fünfundsiebzig Kilometern.«
Während die Fregatten nur mit HQ-61 bewaffnet waren, hatten vier der fünf chinesischen Zerstörer im Philippinischen Meer und der östlichen Célebes-See Fla-Raketen Hong Qian-91 mit vierfach größerer Reichweite an Bord – und die U-2 kam jetzt in Reichweite des Systems der Feylin. Selbst wenn sie der ersten Rakete ausweichen konnte, war die U-2 von den Zerstörern Zhangyhum im Norden und Kaifeng im Süden eingekreist und befand sich immer in Reichweite eines Fla-Raketensystems.
Verfolgt wurde die U-2 von der Zunyi. Obwohl dieser Zerstörer nur Anti-Schiffslenkwaffen trug, besaß er das Radarsystem Sea Eagle, das anderen Schiffen als Feuerleitradar – jedoch ohne die verräterischen Emissionen des Zielsuchradars DRBR-51 dienen konnte. Ihr eigenes Radar mußte erst wenige Sekunden vor dem Aufschlag eingeschaltet werden, so daß die U-2 nicht mehr würde reagieren können.
Dieser Abschuß sollte alle übrigen amerikanischen Flugzeuge warnen: Bleibt von den Philippinen weg!
»Öffne die Bombenklappen … Bombenklappen offen.«
Für Patrick McLanahan war dies erst das zweite Mal, daß er die Bombenklappen des Stealth-Bombers B-2 Black Knight öffnete, ohne ein Ziel anzugreifen. Major Henry Cobb und er waren mit ihrer B-2 schon über dreitausend Kilometer weit geflogen, nur um zwei stromlinienförmige Behälter zu transportieren, die nicht zum Abwurf bestimmt waren.
Sie waren in zweitausend Fuß über dem nachtschwarzen Philippinischen Meer zwischen chinesischen Kriegsschiffen unterwegs, die nördlich und südlich von ihnen zum Schutz der Ostküste Mindanaos zwei lange Ketten bildeten. Jetzt hatten sie zum zweiten Mal die nebeneinanderliegenden Bombenklappen der B-2 geöffnet, um die beiden Behälter an hydraulisch betätigten Armen auszufahren. Und sie wußten genau, daß sie sich dabei großen Gefahren aussetzten, die sich noch vergrößern würden, je näher sie an Mindanao
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